Zwei Glarner Pop-up Kinos zeigten Filme zur Verkehrswende | Bild: unsplash.com
Zwei Glarner Pop-up Kinos zeigten Filme zur Verkehrswende | Bild: unsplash.com

Kultur, Gesellschaft & Leute

Zwei Pop-up Kinos – ein Thema

Am heutigen Pfingstmontag geht «Kunst & Konsum» im Güterschuppen Glarus zu Ende. Zeit für einen Blick zurück zum Beginn der Ausstellung. Am 12. Mai war dort nach der Vernissage ein Film über die Mobilität der Zukunft zu sehen.

von Werner Kälin, Kulturblogger und Präsident VCS Sektion Glarus

Ganz genau lautete der Filmtitel «Metropolen in Bewegung – wie gelingt die Verkehrswende?» Lokale Veranstalterin war die VCS Sektion Glarus. Sie fand in der Ausstellung des befreundeten Vereins KlimaGlarus.ch den geeigneten Raum und Rahmen. An diesem 12. Mai flimmerte der gleiche Streifen an 53 Orten in der Schweiz über die Leinwände. Möglich wurde das durch die Zusammenarbeit des Vereins «Filme für die Erde Schweiz» mit dem Verkehrs-Club der Schweiz.

Gut 50 Menschen wagten sich ins lauschige Pop-up Kino gleich neben der kleinen Bar im Güterschuppen Glarus. Was sie sahen und hörten, waren lauter Beispiele von europäischen Städten, die sich mit der Verkehrswende auseinandersetzen – also neue Formen der Mobilität anstelle der Dominanz des privaten Autos ausprobieren. Barcelona zum Beispiel gestaltet ganze Häuserblocks zu Freiräumen um. Das Konzept der katalanischen Hauptstadt ist besonders spannend für den Glarner Kantonshauptort, weil Barcelona ebenfalls schachbrettartig gebaut ist.


Barcelona ist wie Glarus schachbrettartig gebaut / Bild: unsplash.com

In Paris nehmen Rapper und Tanzgruppen sich den Raum künstlerisch zurück und nutzen Fussgängerstreifen oder Staus für ihre kurzen, aber bleibenden Auftritte. Berlin wiederum ist das strahlende Beispiel für lange Behördenprozesse, obwohl die Lösung mit einer perfekten Fläche für eine Velo-Bahn unterhalb der städtischen Hochbahn auf der Hand liegt – Raum für Velos also, für den das Beispiel Kopenhagen Parade steht. Der Stadtplaner Jan Gehl sagt, dass es beim Verkehr auf die Einladung ankommt. Und tatsächlich: Werden die Menschen mit Autostrassen eingeladen, fahren sie Auto – werden sie mit Velo-Bahnen eingeladen, fahren sie Velo.


Kopenhagen lädt Verlofahrer:innen ein / Bild: unsplash.com

Dass die konsequente und gezielte Velo- und E-Bike-Förderung auch für den Kanton Glarus ein zentraler Teil der Lösung des Verkehrs-, Lärm-, Platz- und Klimaproblems ist, darüber war sich die Diskussionsrunde nach dem Film ziemlich einig. Moderatorin Rahel Marti aus Matt ist selber Expertin für Raumplanung. Im Glarnerland hat die Journalistin mit drei weiteren Personen das Netzwerk «Glarus – zukünftig mobil» ins Leben gerufen. Im Gegensatz zum 44-jährigen VCS ist das Netzwerk noch recht jung. Zum ersten Mal trat es am nationalen Aktionstag «Verkehrswende jetzt!» vom 17. September 2022 an die Öffentlichkeit. Nach einer verregneten Velo-Tour zu zwei von den geplanten Umfahrungen betroffenen Bauerhöfen war auch an jenem Tag ein Filmabend angesagt.

Das Heimatfilm-Drama «Home» verfolgt, ganz anders wie «Metropolen in Bewegung», einen dystopischen Ansatz. Der Film der Schweizer Regisseurin Ursula Meier beginnt mit einer glücklichen Familie in ihrem unkonventionell, ruhig und idyllisch gelegenen Heim mit Garten. Nur wenige Meter vom Haus entfernt erstreckt sich eine nicht fertiggestellte Autobahn. Seit Baubeginn vor vielen Jahren bleibt sie unbenutzt und zerfällt langsam. Eines Tages werden die Arbeiten wieder aufgenommen und die Autobahn wird eröffnet. Mit der Ruhe ist es nun aus. Auf den Ausnahmezustand reagiert die Familie zunächst mit Humor. Doch der Verkehr wird zur Dauerbelastung: Lärm und Abgase zehren an den Nerven, es kommt zur Eskalation. Der Film hat erschreckend direkt mit der Situation einer Glarner Bauernfamilie zu tun, deren Haus der künftigen Umfahrung Näfels weichen muss.


Ausschnitt aus «Home» von Ursula Meier / Bild: artfilm.ch

Was beide Filme gemeinsam haben, ist das Thema Verkehr. Und sie haben die Botschaft, dass Verkehr nicht nur ein politisches, sondern auch ein kulturelles Thema ist. Die Verkehrskultur einer Gesellschaft prägt deren Zusammenleben nachhaltig. Es ist etwas anderes, wenn sich Menschen im öffentlichen Raum in ihren Autos begegnen, sich also in ihrer eigenen «Kapsel» bewegen, oder ob sie sich in Fleisch und Blut begegnen. Es ist etwas anderes, wenn ein Fahrzeug mit einer oder sogar keiner Person darin zehn Quadratmeter öffentlichen Raum braucht, oder ob sich auf der gleichen Fläche vier Menschen miteinander unterhalten. Und es ist etwas anderes, wenn Menschenstimmen ein Quartier beleben, oder Motorenlärm den Aufenthalt in den Dorfzentren zur Qual macht.

Bei der Verkehrskultur geht es also darum, wie die Menschen an einem öffentlichen Ort – in einem Quartier, in einem Dorf, in einem Kantonshauptort – miteinander umgehen und sich begegnen (also miteinander verkehren). Zentral dabei ist die ebenso einfache wie anspruchsvolle Frage: Wollen sich Menschen lieber aus dem Weg gehen oder näherkommen? Ersteres kann sich das Glarnerland wegen seiner topografisch bedingten knappen Platzverhältnisse kaum leisten. Zweiteres dagegen sollte ziemlich einfach sein in einem Kanton, wo jede:r jede:n kennt.


Popcorn gab's auch im Pop-up Kino am 12. Mai 2023 / Bild: unsplash.com


Autor

Kulturblogger Glarus

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Kategorie

  • Kultur
  • Gesellschaft

Publiziert am

29.05.2023

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