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Kultur

arttv: Künstlerischer Ausstellungsdreiklang im Kunsthaus Glarus

Werke aus der Sammlung Marc Egger treffen auf die zeitgenössischen Künstlerinnen Flora Klein und Hélène Fauquet.

Seit 1980 wird die Sammlung des gebürtigen Glarners Marc Egger als Dauerleihgabe im Kunsthaus Glarus aufbewahrt. In ihr finden sich hochkarätige Namen wie Bernd und Hilla Becher, Jasper Johns, Sol LeWitt, Robert Rauschenberg, Frank Stella und Lawrence Weiner. In der aktuellen Ausstellung zeigt das Kunsthaus einzelne Werke der Sammlung, die in assoziativer Verbindung zu den gleichzeitig stattfindenden Ausstellungen von Hélène Fauquet und Flora Klein stehen.

Komposition und Intuition

Flora Kleins abstrakte Malereien entstehen ohne konzeptuelle Vorlagen oder direkte formale Referenzen. Durch eine über die letzten Jahre hinweg entwickelte Praxis geht Klein nach eigenständigen malerischen Kriterien vor, die ihr Interesse am Bildraum, seinen Regionen und dem Verhältnis von Farbe, Bewegung und Fläche folgen und diese stetig weiterentwickeln. Kleins Gemälde sind lebendig und vielschichtig. In einigen Fällen sind wiederkehrende Muster abgerundeter, länglicher Formen in Farbe erkennbar. Obwohl die Idee eines Musters Wiederholung und ein bestimmtes System impliziert, gibt es in diesen Werken keinen Versuch einer Ordnung, sondern eher das Gefühl, dass der Impuls für die Komposition wohl die Intuition ist. Diese Intuition ist jedoch nicht wahllos, sie ist mit Prozess und Entscheidung kombiniert. Kleins Werk ist in spezifischen Werkphasen lesbar, die von jeweils ausgesuchten formalen und malerischen Gesten bestimmt sind. Die Überblicksausstellung mit dem Titel «Heat» zeigt Werke der Künstlerin Flora Klein aus den Jahren 2013 bis 2023. Ausgewählte Werke aus unterschiedlichen Werkphasen sind erstmals gemeinsam und in zwei Ausstellungsräumen zu sehen. In einer stringenten Anordnung werden die einzelnen Gemälde aus ihren bisherigen Werkgruppen herausgelöst und stellen ihre Bildsprache, sowie die Energie, die in den neu strukturierten Zwischenräumen entsteht, zur Disposition.

Zwischen sich- und unsichtbar

Als sich Hélène Fauquet mit dem Ausstellungsraum im Kunsthaus Glarus genauer zu beschäftigen begann, fühlte sie sich unmittelbar an den Film «Phenomena» von Dario Argento erinnert. Dieser obskure Film veranlasste sie dazu, die Umgebung genauer dahingehend zu studieren, wie sich atmosphärische Vorlagen und die Erinnerung daran auf uns auswirken können. Mit Augenmerk auf die Fähigkeit des Auges, bestimmte Bilder einzufangen und sie in der Erinnerung abzuspeichern, stellen die «Schreine» oder «Altare», die in der Ausstellung zu sehen sind zur Debatte, wie Informationen physisch abgespeichert werden, wie sie der oder die Betrachter:in in der Wahrnehmung verarbeitet und auch, wie ein Bild sich in einem System von Bildobjekten behauptet oder einordnet. In einer weiteren Übertragung bearbeitet Fauquet im Zusammenhang mit den Prozessen der Kommerzialisierung Bilder, wie sie beispielsweise bei der Herstellung von Marketingbildern für Parfüme oder andere Luxusprodukte zum Einsatz kommen. Mit manipulierten Abbildungen von «Tropfen» und «Blasen» schafft sie neue Konstellationen von Bildern, deren Erscheinung abstrakte Konzepte von Schönheit, Transparenz oder Jugend als unidentifizierte Formen darstellt. Die Inszenierung des «schönen» Bildes und seiner Manipulation vermischt sich mit der Anspielung auf das Paranormale, in der Beschwörung sichtbarer und unsichtbarer Kräfte und der daraus resultierenden ultimativen Fremdartigkeit.

Filmvorlage Phenomena

«Phenomena» (1985) ist der am meisten «naturbezogene» Film des Giallo-Meisters und wurde grösstenteils in der Schweiz gedreht (Säntis-Region, Thurwasserfälle, Zürichsee). Durch die regionale Nähe eröffnen sich im Film Eindrücke und Settings, die visuelle Ähnlichkeiten mit der Umgebung im Kanton Glarus aufweisen. Der Film ist durchdrungen vom Motiv des Föhn, einem Wind, der in seiner spezifischen Qualität in dieser Gegend besonders vorzufinden ist und dem nachgesagt wird, die Ursache für Lawinen und Wahnvorstellungen zu sein. Argento berichtete sogar, dass er den Föhn auf der Haut spürte, als er das Drehbuch schrieb. Gegenstand des Filmes sind Zusammenhänge wie etwa die psychischen Kräfte von Insekten, Abweichungen und diverse Fäulnisprozesse. Während aber im Laufe des Filmes unterschiedliche Naturgewalten thematisiert werden, stilisiert sich doch der Wille zum Leben als stärkste Kraft empor. Argento gestaltet diese Natur mit Hilfe eines Heavy-Metal-Soundtracks und Armani-Bekleidung noch weiter aus, um dadurch einen inhomogenen, traumhaften Raum abzubilden, der von Kriminalität und Geheimnissen dominiert wird. Seine Filme zeichnen sich generell durch einen gewissen auratischen Anspruch aus, in dem die Realität oft rätselhaft ist und ihre herrschenden Gesetze wie Zeichen einer gross angelegten Verschwörung wirken. Der Titel des Films ist der Phänomena-Ausstellung von 1984 (Zürichhorn) entnommen, einer naturwissenschaftlichen Ausstellung, die Umweltphänomene und Experimente zeigte.

(Text: Kunsthaus Glarus)

Die Ausstellung dauert bis am 19. September 2023
https://kunsthausglarus.ch/de

Autor

Kulturblogger Glarus

Kontakt

Kunsthaus Glarus
Im Volksgarten
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Kategorie

  • Kultur

Publiziert am

04.07.2023

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