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Glarus

Glarner Künstler MARCK: Kultur, Kunst und Leistungsgesellschaft

Die Kultur ist immer ein Abbild gesellschaftlicher Werte: Das trifft auch auf die bildende Kunst zu. Im Idealfall öffnet sie eine Tür zur Seele der Gesellschaft und thematisiert die aktuellen Zeiterscheinungen. Die Leistungsgesellschaft ist ein Mantra unserer Zeit. Sie bildet sich sowohl in der Kultur als auch in der bildenden Kunst ab. Der international tätige Glarner Künstler MARCK nimmt Stellung zu Fragen des Kunstmarkts und zur Leistungsgesellschaft.

Der bekannte Soziologe und Philosoph Herbert Marcuse schreibt in seinem Buch "Kultur und Gesellschaft"*:„Kultur ist als Komplex spezifischer Glaubensanschauungen, Errungenschaften oder Traditionen zu verstehen, die den Hintergrund einer Gesellschaft bilden“. Zerstörungen und Verbrechen, oder Grausamkeiten und Fanatismus sind vom Kulturverständnis ausgeschlossen. Die Werte und Ziele einer Gesellschaft müssen erkennbar sein, wenn ein kultureller Wert zugeordnet werden kann und diese in die Wirklichkeit einer Gesellschaft überführt worden sind.

Zusammengefasst kann Kultur als einen Prozess der Humanisierung verstanden werden, mindestens in der abendländischen Sichtweise. Der Prozess der Humanisierung wird durch kollektive Anstrengungen das Leben zu erhalten, den Kampf ums Dasein zu befrieden, eine produktive Organisation der Gesellschaft zu festigen, die geistigen Fähigkeiten der Menschen zu entwickeln und Aggressionen, Gewalt und Elend zu verringern charakterisiert. Als Abgrenzung zur Zivilisation, die sich auf die Notwendigkeiten ausrichtet, orientiert sich die Kultur an den Werten der Gesellschaft.




MARCK, wie erlebst Du die aktuelle Entwicklung im internationalen Kunstmarkt?

MARCK: Der Kunstmarkt entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten wie die Gesellschaft. Ganz Wenige, 1 Prozent der Kunstschaffenden verdienen immer mehr, weil ihre Arbeiten ein Investment geworden sind. Die Mittelschicht der Künstler:innen verdienen immer weniger und die jungen, neuen Kunstschaffenden haben es schon immer schwer gehabt zu überleben.

Die bildende Kunst ist ein Bestandteil einer Kultur. Die Kunst kann ein Fenster zur Seele der Menschen öffnen und aufzeigen, welche Geheimnisse in einer aktuellen gesellschaftlichen Ordnung vorhanden sind und Gewicht haben. Bei kritischer Betrachtung der Kunstentwicklung kann festgestellt werden, dass die Produkte der Kunst immer auch ein Spiegel der Gegenwart sind. Die Auswahl an Werken ist breit, vielfältig und global. Kritiklosigkeit, Oberflächlichkeit, Reflexion und Einfachheit der Inhalte können parallel betrachtet werden. Der internationale Kunstmarkt mit einer Wertschöpfung von rund 65 Milliarden Dollar ist mit Sammlerexzessen und kriminellen Handlungen wie Geldwäscherei, verbunden. Reiche Menschen haben die Kunst als Wertanlage entdeckt. Der Ritterschlag für Galeristen und Kunstschaffende ist die Teilnahme an Messen wie der Art Basel oder an Biennalen oder der documenta.

Die Preise für Kunstwerke sind exorbitant und nur für vermögende Personen gedacht. Sie betonen die Unterschiede zwischen reich und weniger reich. Es ist sogar zu vermuten, dass die Hortung von Kunst zu einer Ersatzreligion regrediern kann. Der Marktwert der Kunstwerke liefert keinen Beitrag für die Gesellschaft und die Ethik der Kunst steht nicht im Zentrum.

Wie stark spiegelt der aktuelle Kunstmarkt die Leistungsgesellschaft?

MARCK: Mir ist aufgefallen, dass in den letzten Jahren immer mehr ein Gegeneindander mit Neid und Missgunst zwischen den Kunstschaffenden im Vormarsch ist. Man versucht sich zuerst selbst zu sehen. Im Gegensatz zu den 60er, 70er und 80er- Jahren, wo es noch Künstlergruppen gegeben hat, die zusammen gearbeitet haben und sich gegenseitig unterstützten. Für mich ist die aktuelle Situation ein Abbild der gegenwärtigen Gesellschaft.



Die Leistungsgesellschaft ist ein Mythos unserer Zeit. Sie ist eine Herrschaftsform, die keine Werte für die Allgemeinheit der Gesellschaft schafft und fördert, sondern auf  die Erfolge Einzelner setzt. Ethik wird durch Monethik ersetzt. Die Erfolgreichen nehmen für sich in Anspruch, dass sie nur durch Leistung in der Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie gelandet sind. Sie führen ihre Fähigkeiten und Leistungen ins Feld, die sie dorthin geführt haben. Die Ungleichheit in der Gesellschaft wird durch die meritokratische Form der Leistungsgesellschaft zementiert. Die Gewinner sind stolz auf ihre „selbst erbrachte Leistung“, die Verlierer sind gekränkt und fügen sich der schicksalshaften Lebenssituation. Erfolgreiche und Elende treten einander gegenüber. Der bekannte politische Philosoph Michael J. Sandel 
ist Professor in Harvard. Er legt eine kritische Analyse der Leistungsgesellschaft vor. Bei der Meritokratie geht es um eine Herrschaftsform, bei welcher Personen aufgrund ihrer gesellschaftlich und institutionell anerkannten Leistungen für ihre besonderen Dienste ausgezeichnet werden. Personen, die es in der Hierarchie der Gesellschaft nach oben geschafft haben, schreiben den Aufstieg den eigenen Fähigkeiten zu. Die Auswahl von Personen beispielsweise für Elite-Universitäten in den USA ist mit Privilegien verbunden, die nicht der erbrachten Leistung entsprechen. Sponsorengelder oder getürkte Tests im Aufnahmeverfahren machen den Weg frei. Es wird von einer „Erbaristokratie“ gesprochen. Ausnahmen bestätigen die Regel. In der Schweiz ist diese Ausgangslage zu differenzieren.

Die Tendenzen der Privilegierten finden sich aber auch bei der sozialen Mobilität, also bei den Einkommen und der Bildung. Nur wenige steigen aus der Unterschicht in die oberste Schicht auf. Der Zugang zur Bildung ist immer noch ein Privileg der besser situierten Bevölkerungsgruppe. Die Vermögensunterschiede sind gross. Rund 1 Prozent der Bevölkerung besitzt rund die Hälfte aller Vermögenswerte. Bei den Einkommen sind die Unterschiede geringer, sind aber von den Wohnorten stark abhängig.

Junge Kunstschaffende werden stark gefördert. Die zur Verfügung stehenden Gelder sind aber sehr unterschiedlich verteilt. Der Kanton Glarus gehört bei den Kulturausgaben pro Kopf zu den schwachen Kantonen. Junge Künstlerinnen und Künstler erhalten bei einer Preisauszeichnung schnell die Gelegenheit im Museum auszustellen oder im Ausland ein Atelier zu bespielen, ohne nachhaltige Vor-Leistungen erbracht oder im Atelier Arbeiten entwickelt  zu haben. Viele  der Geförderten verschwinden nach fünf Jahren vom Radar und versinken in der Bedeutungslosigkeit, weil sie sich am Markt nicht durchsetzen können.

Wie siehst Du die Förderung von Kunstschaffenden? Welche Erfahrungen gibt es mit Föderprogrammen?

MARCK: Ich bin der Auffassung, dass es nur dort Förderprogramme braucht, wo es keinen Markt für die Produkte  gibt. Wichtig ist aber, dass es Förderprogramme gibt. Es geht darum, dass die Gesellschaft hinterfragt wird, Fragen gestellt werden und dass Diskussionen ausgelöst werden. Provokative Theater, Kunstaktionen, Filme die in Kinos kaum gezeigt werden, Galerien mit kritischer Kunst etc. Diese Dinge sind unterstützungswürdig. Alles andere verdient keine Unterstützung. Es gibt ja einen Markt für Käufer, wo Angebot und Nachfrage aufeinander treffen. Wie man Kunst fördern kann ist einfach: Stellt den Kunstschaffenden grosszügige Räume und Zeit zur Verfügung. Dann entsteht manchmal auch Gross-Art-iges.

Leistung kann toxisch sein, wenn die Einkommensunterschiede zu gross sind. Die Finanzindustrie hat mit dem überbordenden Casino-Kapitalismus Grenzen gesprengt und die Einkommensverteilung nachhaltig negativ beeinflusst. Der erbrachten Leistung steht eine geringe Wertschöpfung gegenüber und der Betrag an das Gemeinwohl einer Gesellschaft ist zu vernachlässigen. Spekulationen, selbst über Grundnahrungsmittel, lösen hohe Gewinne aus und stören das Gleichgewicht von Märkten.  Der Liberalismus des freien Marktes oder des Wohlfahrtstaats verkümmert die Vorstellungen zu Freiheit und Bürgerschaft. Die Technokratie in der Politik und die mehrheitliche Einsitznahme von Akademiker:innen in Ämtern ist ein Wegbereiter des zunehmenden Populismus, weil die Karrieristen auf die Verlierer herunterschauen, die im Tal der Tränen leben und sich selbst die Schuld zuschreiben, dass sie die Karriere nicht geschafft haben. Die psychischen Krankheiten und der Medikamentenmissbrauch nehmen zu und lassen  für die Volksgesundheit nichts Gutes ahnen. Im Zusammenhang der Verlierer-Generationen berichtet Sandel, dass zwei Drittel der weissen Nicht-Akademiker Trump zum Präsidenten gewählt haben und dass nur ein Drittel höhere Bildung als positiv bewertet.  In der Schweiz gibt es die Wutgeneration, unabhängig von den Verwerfungen der Covidkrise.

Wie beurteilst Du die Hochschulausbildung für Kunstschaffende? Was ist gut und was ist zu verbessern? Was bringt eine Akademische Ausbildung im Vergleich zu den Autodidakten?

MARCK: Das Problem der Kunsthochschulen ist, dass immer weniger das Handwerk gelernt wird und immer mehr der Fokus auf Konzepte und Theorie gelegt wird. Auch der reale Alltag des Kunstmarkts wird ausgeblendet. Banale Dinge wie Zollfragen, Verpackungen, Transporte, Gesetze, Mehrwertsteuer etc. sind keine Themen. Wenn man im Kunstmarkt bestehen will, braucht es Einiges mehr an Wissen, als „nur“ Kunst zu machen. Der einzige Vorteil von Kunsthochschulen ist, dass die Stipendien, Werksbeiträge, Programme „artists in residents“ im Ausland, Ausstellungen in Museen helfen in den Markt hineinzukommen. Wenn man den Weg ohne Kunsthochschule beschreitet, hat man keine oder wenige Chancen an den institutionellen Geldfluss anzudocken oder Unterstützung zu bekommen. Aber, wenn man es ohne Akademie geschafft hat sich im Kunstmarkt zu etablieren, ist das ein stabileres und nachhaltigeres  Fundament. Bis man da ankommt braucht es aber einhundert Mal mehr Kraft und Ausdauer.

Herzlichen Dank und weiterhin viel Erfolg im Kunstmarkt.

Eduard Hauser

Herbert Marcuse: Kultur und Gesellschaft, Suhrkamp Verlag, 1965 

Autor

Kulturblogger Glarus

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Hauser Eduard
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8872 Weesen
hauser.eduard@gmail.com
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Kategorie

  • Glarus

Publiziert am

17.07.2023

Webcode

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