Kultur
Melanie Ohnemus im Gespräch mit Sabrina Tarasoff und Karen Kilminik
Zur Ausstellung von Karen Kilminik im Kunsthaus Glarus ist ein Text erschienen, der die Hintergründe der Kunst von Karen Kilminik ausleuchtet. Sabrina Tarasoff hat sich mit den Werken der Künstlerin im Artikel „The Last Days of Rococo: Karen Kilminik“ auseinandergesetzt, publiziert im Mousse Magazine, 2019.
Worum es geht
Im Wesentlichen wird die Kultur der Berühmtheiten mit der Fankultur miteinander in Verbindung gebracht. Die dargestellten Persönlichkeiten vermischen sich mit unseren Vorstellungen so, dass eine Unmittelbarkeit entsteht, die den Eindruck hinterlässt, dass die Betrachter:innen meinen könnten, dass sie die gezeigten Personen kennen. Die Darstellungen können wie ein Traum wirken. Die Installationen oder Bilder können wie eine Flucht von der Realität verstanden werden. Unsere Vergnügungen und Ablenkungen werden in der aktuellen, virtuellen Welt wie Erlebnisse im Elfenbeinturm spürbar erlebt. Das Träumerische steht in einer Wechselwirkung zum Unmittelbaren. Unsere Fantasiewelt kann sich mit Idealbildern oder Hirngespinsten befassen. Sie durchbrechen in unserer Wahrnehmung die Welt des Verstandes, also der sinnlichen Wahrnehmungen, die unsere erlebte Realität fokussieren. Die Fantasie entspringt aus unserem Unbewussten, seien es Traumbilder oder Vorstellungen, die uns nicht mehr loslassen. Als Pol steht die sinnliche Wahrnehmung gegenüber, die das Erleben der Wirklichkeit fassbar macht. Karen Kilminik führt diese Art Informationsaufnahme zusammen und stellt dies in ihren Bühneninszenierungen so dar, dass Dinge zusammengeführt werden. Die Vielzahl der verwendeten Medien hilft beim Prozess der Zusammenführung. Die Künstlerin hat in den 1990er Jahren eine ganz neue Form des Ausstellungsraums entwickelt.
Erkenntnisse gewinnen
Die Inszenierungen in Räumen werden inhaltlich aus ganz verschiedenen Quellen gespeist. Stimmungen und die Atmosphäre im Werk machen die Aura aus. Die kunsthistorischen Kenntnisse der Künstlerin spielen eine wichtige Rolle. Unübersehbar ist die Sehnsucht in ihrem Werk. Sichtbar wird dies auf den leeren Bühnen, in Waldlichtungen, in wohlbestellten Häusern oder in den Heldenerzählungen. Eine düstere Stimmung mit einem Hauch von Tragik ist unverkennbar. Ein Übermass an Sehnsucht steht im Kontrast zur Ironie. Diese Erfahrungen sind aus Historienbildern, Reiseführern, Werbeanzeigen oder Nachschlagewerken gespiesen und mit Begehren aufgeladen. Das Begehren bewegt uns und hat einen unverkennbaren Rhythmus. Die Menschen schöpfen aus der persönlichen Einbildungskraft und sehen darin die Wahrheit verborgen. Erfahrungen bilden sich auf diese Weise heraus und werden zu einem Teil der eigenen, persönlichen und geistigen Arbeit. Die präsentierten Orte bei den Arbeiten liegen irgendwo zwischen der realen Welt und den Fiktionen. Beim „Spiel“ zwischen Fiktion und der realen Welt liegt in der Kunst von Karen Kilminik die besondere Qualität. Die Werke sind mit einer sanften Subversion verbunden. Die Idealisierung mit teuflischem Entzücken führt dazu, dass die Betrachter:innen etwas Verführerisches erkennen können. Dies löst starke, unerklärbare Wahrnehmungen aus, die Spuren hinterlassen. Die persönliche Geschmacksverarbeitung zeigt, dass gute Kunst da beginnt, wo der gute Geschmack aufhört. Eine teilweise irritierende Welt tut sich vor unseren Augen und in unserem Geist auf. Die im Kunsthaus gezeigten Waldlichtungen haben eine Aura des Feenhaften oder knüpfen an Alpträumen an. Viele Bilder haben den gleichen Aufbau. Die gezeigte Szene wird wiederholt, aber es wird auch etwas Unerwartetes hinzugefügt. Da gibt es subkutane Einflüsse auf uns, denen wir uns nicht entziehen können. Das Leben mit bestimmten Einflüssen wie Vorbilder, Leitbilder, Ideale, Ideen vergangener Generationen oder Wertvorstellungen wird aus dem Unbewussten ins Bewusstsein geführt. Die Betrachter:innen erleben beim Verweilen mit der Kunst Prozesse, die unsere unbewusste Kompetenz erfahrbar macht. Dies bedeutet, dass bei der Auseinandersetzung mit der Kunst von Karen Kilminik Lernprozesse über uns selbst ausgelöst werden. Es werden zwielichtige Situationen geschaffen, welche die Bedeutung des Scheinbaren und des Scheins mit dem was in der Realität ist konfrontiert. Die Welt ist nicht real. Sie ist so, wie wir sie wahrnehmen. Wir sind herausgefordert die zeitgenössische Kunst mit den Augen anderer Personen zu betrachten. Das braucht ein waches Bewusstsein, nicht unbedingt kunsthistorisches Vorwissen. Die visuelle Wahrnehmung der Werke verlagert Bedeutungen und Zustandsänderungen. Der Schein gehört zum Schönen. Er löst Selbsttäuschungen aus, als Ausdruck unseres Lebens. Hier zeigt sich eine starke Verbindung und Aktualität zu unserer Zeit, die mit dem Scheinbaren auf „social medias“ andere Wahrnehmungen über sich selbst auslösen kann. Es geht nicht nur um das Ich des Bewusstseins, sondern stark um das wünschbare Sein einer Person oder einer Situation. Der Drang oder das Begehren nach Anerkennung ist für viele Menschen heute zentral. Die Lebenskraft oder Libido als Begehren wird über Wahrnehmungen von anderen Personen beeinflusst und zeigt sich auch bei Errungenschaften in der Kunst und Kultur . An Stelle der Feen bei Karen Kilminik treten „Likes“ und „Influencer“, die das vermeintliche Selbstvertrauen der Menschen speisen können.
Fazit
Karen Kilminik ist eine zeitgenössische Künstlerlin, welche die Betrachter:innen ihrer Arbeit herausfordert. Die Welt des Realen und der Fiktion treten aufeinander und lösen Bewusstseinsprozesse aus. Manchmal kann man mit den Präsentationen auch irritiert sein und muss sich zuerst an die Erscheinung der gewählten Installationen und Bilder gewöhnen. Sich auf diese Kunst einzulassen lohnt sich, weil alle Personen über die Auseinandersetzung mit dem Werk für sich selbst Nutzen ziehen können.
Eduard Hauser
Autor
Kulturblogger Glarus
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