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Glarus

Fantastische Stoffe aus Mitlödi im Freulerpalast

Noch bis am 15. Oktober zeigt der Freulerpalast in Näfels Haute Couture Stoffe aus Mitlödi. Die Produktionsstätte der Textilindustrie im Glarnerland wird fotografisch dokumentiert. Die Seidendruckerei-Beispiele für Haute-Couture-Häuser wie Yves Saint Laurent, Chanel, Ungaro und Givenchy sind  ästhetisch dargestellt und tauchen in die Erfolgsgeschichten der vergangenen Zeiten ein. Im Herbst 2023 erscheint ein Buch zur Ausstellung.

Die Textildruckerei in Mitlödi ist 1937 gegründet worden. Zwischen 1960 und 2000 hat sie fantastische Jahre erlebt. In einer für die Textilwirtschaft schwierigen Zeit, sind viele Druckereien in der Schweiz eingestellt worden. Anders in Mitlödi. Viele tausend Meter Luxusstoffe sind in dieser Zeit für Haut-Couturier und Modehäuser wie Yves Saint Laurens, Chanel, Ungaro oder Givenchy mit Stoffen aus Mitlödi  produziert worden; Sommer- und Winterkollektionen.

Die kostbaren Stoffe werden erstmals im Rahmen dieser Ausstellung gezeigt. Es wird gezeigt, welche Kleider, Kostüme oder Foulards bei den Pariser Couturiers gestaltet worden sind. In der Ausstellung wird die Produktionsstätte der letzten Glarner Textildruckerei durch die Fotos von Volker Kreidler dokumentiert. Die Aufnahmen beschreiben den Fabrikraum, in welchem die Stoffe produziert worden sind.

Die nächsten öffentlichen Führungen finden statt: am 25.6.2023, 20.8.2023 und am 24.9.2023, jeweilen um 14 Uhr. Am 24.5.2023 findet eine Nachmittags- Exkursion, von 13:30 bis 17:00 Uhr, mit Start in Mitlödi statt. Es gibt eine Expertenführung durch die Textildruckerei in Mitlödi. Ein Shuttlebus transportiert anschliessend die Teilnehmenden an die Führung durch die Sonderausstellung im Freulerpalast. Eine Anmeldung ist erforderlich; info@freulerpalast.ch Weiter ist eine Führung für die Generation 60plus am 14.6.2023 um 15 Uhr, mit der „Glarner Kaffeestube“ vorgesehen. Schliesslich sind die Workshops für Kindergärten und Schulklassen vom 1. bis zum 3. Schuljahr zum Thema „Muster – Farben – Formen“ zu erwähnen. Das Thema „Druck dich aus“ wird für Klassen ab dem 4. Schuljahr durchgeführt.

Geschichtliche Entwicklungen in der Textilwirtschaft

Die berühmten Designer der Zeit statteten über viele Jahre ihre Kollektionen mit Stoffen aus, die in Mitlödi bedruckt worden sind. Es ist zu vermuten, dass die wenigsten Designer wussten, wo die Stoffe ihrer Kollektionen gedruckt worden sind. Der Designer hat seine Auswahl getroffen und wenn der Stoff zu einer Robe verarbeitet worden ist und über den Laufsteg schwebte, schlugen nicht nur die Herzen der Käuferinnen höher, sondern auch jene der Drucker:innen in Mitlödi.


Die Namen der Entwerfer:innen sind oft unbekannt, weil nur die Marke ihren Namen präsentiert hat. Die Stoffproduzenten kauften von freien Entwerfern:innen  oder Designstudios  Entwürfe oder hatten eigene Ateliers. Die Entwürfe waren oft unsigniert. Der mit dem Design bedruckte Stoff ist an den Stoffproduzenten geliefert worden und wurde von diesem an die grossen Marken verkauft. Die Entwerfer:inn sind so unbekannt geblieben.

Schleiertücher führen zur Haute Couture. Die Glarner Textilunternehmer Trümpy und Jenny liessen in Mitlödi um 1856/57 ein grosses Druckereigebäude bauen um gemeinsam Schleier- und Turbantücher für den Orient und Südosteuropa zu drucken. Zehn Jahre nach der Unternehmensgründung konnten die Firmen 90 Arbeiter:innen an 289 Drucktischen mit dem Druck vielfarbiger Baumwollstoffe beschäftigen. Diese Blütezeit dauerte nur wenige Jahre. Zu Beginn der 30-er Jahre wurde die Tätigkeit eingestellt. Anschliessend wurde die Seidendruckerei Mitlödi von Caspar Hauser und Jakob Fischli gegründet. Gestartet wurde an 11 Drucktischen. Während des Zweiten Weltkriegs konnte man die Produktion steigern und 1947 waren mehr als 120 Arbeiter:innen in der Seidendruckerei beschäftigt.

Welche Stoffe für die Sommer- und Winterkollektionen verwendet werden, entscheiden die Designer. In einer Saison sind üppigste Ornamentiken unverzichtbar, in der nächsten Kollektion bevorzugt man ausschliesslich einfarbige Stoffe. In der Seidendruckerei Mitlödi setzte man auf Diversifikation der Produktion. Neue Arbeitsbereiche wurden dem Betrieb angegliedert: Ab 1949 arbeitete die Filgra  Siebendruckerei in Mitlödi und ab 1972 die ACO Bauelemente Produktion. Mit dem Ausbau des Sortiments wurde zur Stabilisierung der Umsätze beigetragen. Ab 1982 konnten mit der Zusammenarbeit der Wädenswiler Gessner AG hochwertige Dekorations- und Möbelstoffe ins Druckprogramm aufgenommen werden.

Seit den 50-er Jahren war die Textildruckerei Mitlödi eine wichtige Produktionsstätte des Zürcher Seidenmanipulanten, Abraham AG. Der Firmenchef belieferte mit den von ihm gewählten Stoffen die grossen französischen Couturiers wie Dior, Yves Saint Laurent oder Givenchy. Die Abraham AG liess ihre Stoffe jedoch nicht nur in Mitlödi, sondern auch in den Textilwerken Blumenegg in Goldach und bei Ratti in Como drucken. So war eine Konkurrenzsituation gegeben. Jeder aus Mitlödi nach Zürich gelieferte Stoffmeter wurde von der Firma Abraham kontrolliert. Traten Fehler auf, wurden diese in einem Schreiben mit einem Stoffmuster dokumentiert und zugleich Preisminderungen angekündigt. In Mitlödi musste man für den Schaden aufkommen. Der Kunde ist, wie heute auch, König.


Immer am Modepuls der Zeit zu bleiben war das Credo der Gründer der Seidendruckerei Mitlödi. Zunächst übernahm sie das noch neue Siebdruckverfahren für den Textildruck und entschied sich für die Arbeit als Lohndruckerei. Das bedeutet, dass die Stoffentwürfe und die Druckgewebe von den Kunden geliefert werden. Die Druckerei fertigt Druckmuster in unterschiedlichen Farbvarianten an, aus denen der Kunde das Produkt auswählt. Dieses Prinzip war ausschlaggebend für den Erfolg. Stoffdrucke aus Mitlödi wurden so zum unverzichtbaren Bestandteil des Sortiments vieler Manipulanten.

Diese geschichtlichen Einblicke zeigen, dass schon in früheren Zeiten der Kunde mit seinen Anforderungen, die technologischen Möglichkeiten, die Strategie oder die Qualitätsansprüche für den Erfolg einer Druckerei massgebend gewesen sind.

Fotografien in der Ausstellung


Der Fotograf Volker Kreidler hat eindrückliche Fotos in der Ausstellung gehängt. Er stammt aus einer Fotografenfamilie, die 140 Jahre in Horb am Neckar ein Portraitgeschäft betrieben hat. Zwischen 1988 und 1944 studierte Volker Kreidler Fotografie und Filmdesign an der Fachhochschule Dortmund. Als freischaffender Künstler und Fotograf beschäftigt er sich mit Transformationsprozessen von Landschaften und Orten. In seinen Arbeiten als Architekturfotograf dokumentiert er seit den 90-er Jahren die Industriekultur im deutschsprachigen Raum. Im Sommer 2020 fotografierte er alle Innen- und Aussenräume der Textildruckerei AG in Mitlödi.


Fotos aus dem privaten Fundus des Bloggers

In unserer Familie haben wir aus den 1900-er Jahren Fotos, die aufzeigen, dass viele Frauen in der Produktion der Spinnereiwirtschaft gearbeitet haben. Die Männer haben die Firmen als Chefs dominiert. Der oberste Chef der Spinnerei ist der Mann der Grossmutter meiner Frau. Die hierarchischen und Arbeitsbedingungen für die Männer-Chefs und die  Frauen waren einseitig verteilt und zu Lasten der Frauen ausgestaltet.


Frauen in der Produktion


Herrschaft der Männer


Arbeitsgruppe mit Chef

Fazit

Die Textilwirtschaft im Glarnerland zeigt eine interessante Geschichte zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Arbeit. Die Firmen haben sich dank klarer Strategie, der Ausrichtung auf die technologischen Neuerungen und der Orientierung an der Qualität über lange Perioden am Weltmarkt behaupten können. Trotz allem ist die Textilindustrie weitestgehend unter gegangen. Die Ausstellung dokumentiert den Entwicklungsprozess und zeigt mit ästhetischen Druckererzeungnissen auf, was im 19-ten Jahrhundert alles möglich gewesen ist. Eine Ausstellung, die einen Besuch verdient.

Die Öffnungszeiten sind jeweilen Di bis So, von 10 bis 17 Uhr. Es können auch Führungen gebucht werden. www.freulerpalast.ch

Eduard Hauser

 

Autor

Kulturblogger Glarus

Kontakt

Hauser Eduard
Blogger
Biäschenstrasse 10
8872 Weesen
hauser.eduard@gmail.com
0793758199

Kategorie

  • Glarus

Publiziert am

19.05.2023

Webcode

www.glarneragenda.ch/bRQXMZ