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Antonio Wehrli Art Space zeigt Arbeiten von Marco Russo
Marco Russo zeigt seine Werke vom 20.3. bis 20.4.21, Öffnung: Do/Fr 14 - 17, Sa 13 - 16, nach Vereinbarung : antonio@a-w.ch
Marco - *1984 - ist ein vielseitiger, aufstrebender Schweizer Künstler. Er ist im Glarnerland aufgewachsen und hat 2020 den Förderpreis des Kantons Glarus erhalten. Dieser Preis soll talentierte, kreative Künstler*innen bei der Entwicklung ihrer Arbeiten unterstützen und fördern. Marco schliesst im Sommer 2021 den Master of Fine Arts an der Hochschule der Künste in Zürich ab.
Hauser: Marco, wie bist Du zum Beruf des Künstlers gekommen?
Russo:Schon als Kind habe ich gerne gezeichnet, gespielt, Musik gehört und die Welt und deren Formen wahrgenommen. Dank der Musik und vielen Kollegen die in der Glarner Kultur tätig waren, war ich schon früh in der Glarner Kultur Szene unterwegs. Mit 30 wollte ich mein Interesse an Kunst vertiefen und begann mit dem Kunststudium.
Hauser: Im Gespräch hast Du mir gesagt, dass nicht die Darstellung, sondern die Wahrnehmung bei Deinem künstlerischen Ausdruck im Zentrum steht. Kannst Du das bitte an einem Beispiel erklären?
Russo: Es geht um Kommunikation wie Sie uns die Natur lehrt, nämlich unsere Sinne und unsere Einbildungskraft zu erregen. Es findet eine Wechselwirkung statt zwischen der Natur und dem Menschen mit seinem Körper, der Teil eines komplexen Systems ist. Die Natur kommuniziert auf einer sinnlichen Ebene. Sie spricht nicht mit Wörtern oder stellt Statistiken auf. Sie spricht durch seine Atmosphäre. Eine Grüne Wiese, spricht von Lebendigkeit, von genügend Nahrung, von klimatischer und organischer Gesundheit. Es scheint, als habe sich der Mensch seit der Industrialisierung und seit der Digitalisierung als ein Wesen von höherem Rang entwickelt Jetzt ist er plötzlich wieder Teil der Natur. Die Natur spricht alle Sinne an, doch wir haben verlernt, diese Sprache wahrzunehmen.
Ähnlich spricht auch die Kunst mit uns. Meine Malerei will nichts darstellen, Sie steht für sich selber da und spricht durch Farben, Strukturen, Farbaufträge, Kontraste , kleine Details die zu entdecken sind. Meine Malerei wird zum Teil der Wirklichkeit und spricht, kommuniziert mit uns. So wird die Wahrnehmung der Kunst ein Vehikel, um über die Wahrnehmung unserer Umwelt zu sprechen. Ein Beispiel: Mit einem satten, grünen Baum. An einem warmen Tag im Sommer, kommuniziert ein satter grüner Baum mit uns, er spricht uns an und bietet uns Frische durch seinen Schatten, Schutz vor der Wärme. Er spendet uns Erholung, einen Platz um zu ruhen und zur Hoffnung. Seine Atmosphäre spricht mit uns und wir verstehen diese Sprache. Sie kann in der Kunst mit der Farbe Grün transportiert werden. Nicht die Farbe Grün ist die Farbe der Hoffnung, wir verbinden in unserem Unterbewusstsein diese Farbe dank der Natur mit Hoffnung, Frische, Erholung. Grün auf einer monochromen Fläche hat das Potential solche Gedankengänge zu fördern.
Hauser: Die Erfahrung zeigt, dass die Wahrnehmung immer projektiv und selektiv ist. Vereinfacht gesagt: „Man sieht, was man weiss“. Was bedeutet dies für Dein künstlerisches Schaffen?
Russo: Richtig, man sieht, was man weiss. Darin liegt genau die Gefahr, denn durch die Distanzierung gegenüber einer perfekt funktionierenden Natur, hat sich der Mensch abgesondert und sich dabei selbst eine Grube gegraben. Es scheint, als wollen wir nicht mehr wissen, was relevant ist. Wie wir heute mit Informationen ‚bombardiert‘ werden und diese immer kürzer und schnelllebiger werden, dass wir nicht mehr richtig wahrnehmen können.Esentsteht die Gefahr, dass wir vieles nicht mehr sehen. Die Schlussfolgerung ist, dass wir weniger wissen. In meinem künstlerischen Schaffen nehme ich mir sehr viel Zeit für die Lektüre von Philosophie, Geschichteundwissenschaftlichen Abhandlungen aller Sparten, um mir eine eigene Meinung zu bilden. Als Maler würde ich sagen, um mir selber ein Bild zu machen. Zusätzlich versuche ich Kreisläufe der Natur zu beobachten und mich davon inspirieren zu lassen. Der Rhythmus der Natur gewinnt jeden Vergleich mit den von den Menschen geformten Rhythmen, die unser Zusammenleben bestimmen. Die Berghänge im Glarnerland bieten eine Sicht sich ständig verändernder Vielfalt an Farben, Rhythmen, Strukturen, Geräusche.Das motiviert mich und spornt mich an, ähnliche Phänomene zu schaffen, die während eines ‚Blickwechsels‘ mit den Besuchern kommunizieren.
Hauser: Deine Arbeit ist geprägt von einer breiten Vielfalt und Kreativität. Wie laufen die inneren Prozesse ab, wenn Du ein Kunstwerk schaffst?
Russo:Mit meinen Gemälden versuche ich wie die Natur zu kommunizieren. Durch Farben und Kontraste,Strukturen, Formen, Glanz oder Mattheit, durch kleine Effekte. Es soll eine Atmosphäre entstehen, die möglichst viele Sinne anspricht. Zum Beispiel faszinieren mich die Farben der Berghänge. Meine Augen sehen darin so viele Nuancen an Grau, Weiss, Schwarz, Violett, Grün, Ocker oder irisierende und reflektierende Lichter. So versuche ich nicht einen Berg zu malen. Ich versuche ähnliche Phänomene herzustellen, die im ständigen Wandel sind und mich erinnern, wie vielfältig eine scheinbar nicht lebendige Berg-wand und die ganze Natur ist. Dabei merke ich, wie schwierig es ist mit der Ästhetik einer Bergwand zu konkurrieren.
Hauser: Du beschäftigst Dich mit zentralen Fragen des Lebens, wie „wer sind wir?“ oder „wohin gehen wir?“. Wie verfolgst Du, was sich in der Gesellschaft entwickelt? Welche Rolle spielen die sozialen Medien, oder die Erkenntnisse aus der Ausbildung?
Russo: Die Ausbildung an der Kunsthochschule hat mir persönlich sehr geholfen, nicht nur Kunst zu verstehen, sondern eine ästhetische Sprache zu entwickeln. Oftmals ist man nicht imstande, die eigenen Gefühle mit Wörtern auszudrücken. Echte Kommunikation passiertauf verschiedenen sinnlichen Ebenen. In der immer digitaleren Welt sehe ich einen Verlust des Sinnlichen und eine Wertverschiebung. Die Ausbildung hat mir geholfen, zu verstehen, dass das Leben gut ist: „Life is Good!“
Betreffend soziale Medien komme ich zurück auf die Wahrnehmung und die Kommunikation. Um miteinander zu kommunizieren, kann ein digitales Werkzeug sicher hilfreich sein. Um die Kommunikation zu fördern, darf nicht ein Werkzeug hergestellt werden, das auf Distanzierung, Geschwindigkeit, Reduzierung der Inhalte, Machtverhältnisse und Selbstinszenierung basiert. Wenn wir schon die Möglichkeit haben, einen neuen digitalen kommunikativen Raum zu entwickeln, dann fordere ich ein Werkzeug, das auch entsprechend der Komplexität unserer Umwelt gerecht wird. Wenn wir uns selbst wahrnehmen wollen, müssen wir lernen anders zu kommunizieren und uns von denDinosauriern zu lösen. Dafür ist Twitter, Instagram oder Facebook keine zukunftsfördernde Lösung.
Hauser: Du arbeitest mit ganz verschiedenen Arbeitstiteln, zB mit „Plasma Serie“. Wie kommst Du auf diese Ideen und welches sind typische Merkmale der Auseinandersetzung mit diesem Thema?
Russo: Plasma bedeutet im altgriechischem das Gebildete, das Geformte. Plasma wird erst bei einer Reaktion sichtbar und umhüllt das ganze Universum. Zu dieser Thematik hatte ich ein Gespräch mit einem Astrophysiker aus der Uni in Zürich. Schwarze Löcher können wir sehen, weil Plasma beim Kontakt mit dem Loch reagiert und dadurch sichtbar wird. So sehen wir bloss die Reaktion des Plasmas das sich ausserhalb des Loches befindet, nicht das Loch selber. Auch die Nordlichter sind Plasma das mit dem Magnetfeld des Planeten Erde reagiert und dadurch sichtbar wird. Plasma spricht über die Wahrnehmungen, über den Kosmos, über Abstraktion, über Kunstgeschichte, über Farbspektren, Science-Fiction, Zeitreisen etc.
Hauser: Du sprichst bei Deiner Kunst auch davon, dass die Ironie und der Zynismus Platz finden kann. Wie zeigen sich diese Ausdrucksformen bei der aktuellen Ausstellung bei Antonio Wehrli in Schwanden?
Russo: Ironie ist passender als Zynismus. Es stellt sich die Frage was ironischer ist. Meine Annahme, Malerei ist die beste Technologie die der Mensch jemals entwickelt hat, oder soziale Medien sind im jetzigen Zustand ein fortschrittliches Medium für die Kommunikation. Alles geht vorbei, Malerei ist seit den Höhlenmalereien immer noch präsent. “Life is Good?“ Wenn man lernt wahrzunehmen und auf einer anderen Ebene zu kommunizieren ja, sonst ist es fragwürdig dies in dieser so wichtigen Zeit wie die unsere zu behaupten…
Hauser: Was sind Deine nächsten Projekt? Worum geht es? Was ist die Botschaft? Und wo ist was zu sehen?
Russo: Im März werde ich mit einem Künstlerkollegen, Felix Fassbind, in Luzern im Kunstpavillion PTTH eine Show digital-Streamen, in der es um Dinosaurier, Physikalische Experimente und Mehl geht. Das wird lustig und ich freue mich darauf. Der Inhalt dreht sich bei unserer Show um Dinosaurier, ja tatsächlich haben zwei überlebt, die unsere Welt betrachten und unser menschliches Verhalten hinterfragen. Zwei Physiker werden sich mit einem explosiven Experiment versuchen. Die Boulevard Thematik oder der ganze Internet-Trash wird nicht fehlen.
Im April darf in an der Innerschweizerischen Malerei Triennale mit dem Titel MAGMA (magma-triennale.ch) in Stans (NW) teilnehmen und dabei eine 3 x 1.5 Meter grosse Malerei präsentieren. Die Thematik der Triennale ist Sinne und Sinnlichkeit, was natürlich auf meine Arbeit und allgemein auf die Malerei zutrifft. Bei dieser Schau dabei zu sein, freut mich sehr.
Im Mai darf ich am Bahnhof in Thalwil eine 2.4 x 1.2 Meter Plakat-Wand bespielen mit einem aus der Science-Fiction Literatur inspirierten kurzen Text. Diese Text-Arbeit nenne ich ‚Parole‘und spielt mit Prophezeiungen oder Technologie-Brand Slogans. Mir scheint, dass ein spekulativer Blick in die Zukunft, wie es die Science-Fiction Literatur tut, oftmals geeigneter ist um die Gegenwart mit ihren technologischen Versprechungen zu verstehen.
Im Juni werden wir Studierende vom Master of Fine-Arts in Zürich (ZHDK) unsere Degree- oder Abschluss-Show eröffnen. Hoffen wir, dass dies möglich sein wird, das würde uns freuen und wäre ein toller Abschluss von zwei tollen Jahre Studium!
Eduard Hauser
Autor
Kulturblogger Glarus
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