Glarus
Mannäpannä [dt. für Männerpannen]
Die Chliibüni Glärnisch gab kürzlich die letzte Vorstellung von „Mannäpannä“ zum Besten. Der turbulente Schwank lockte an einem frühsommerlichen Samstagabend viele Besucher:innen ins Fabriktheater Schwanden. Eindrücke von einem Theaterabend in familiärer Atmosphäre.
Verwechslungs- und Situationskomik
Das Theaterstück erinnert mich stark an meine späte Kindheit oder frühe Jugend. Meine kulturelle Prägung bezog ich einerseits selbständig aus Büchern, anderseits aus dem Fernsehprogramm, welches jeweils durch das Familienoberhaupt ausgewählt wurde. Dann und wann durfte die Mutter auch einen Wunsch anbringen, und da sie alles liebte, was mit deutschen Meeren, mit Matrosen und Familienleben zu tun hatte, schauten wir samstagabends oft das Hamburger Ohnsorg-Theater auf ARD. Da ging es rustikal zu und her! Titel wie „Ein Mann ist kein Mann“, „Tratsch im Treppenhaus“ oder „Opa wird verkauft“ waren laut Wikipedia „echte Strassenfeger“. Ohne Sorgen lachte die Familie, vor dem TV-Gerät vereint und in dieselbe Richtung blickend. Das waren wirklich glückliche Momente, exgüsi!
Worüber ich seither nachgedacht habe:
Wie würden sich meine homosexuellen Freunde hier fühlen? Warum wird impliziert, dass die Transfrau Petra homosexuell ist, und warum finden „wir“ es so wahnsinnig lustig, wenn eine Rolle bereits an ihrer Art zu sprechen unzweifelhaft erkennen lässt, welche sexuelle Orientierung sie hat, sodass ihr Charakter auf diese reduziert wird? Warum ist das mit der Stimme überhaupt so, hat es etwa mit hormonell bedingten körperlichen Einstellungen zu tun? Gibt es noch andere, ähnliche Phänomene, die ich bei meinen Erforschungen hinzuziehen könnte? Während der Vorführung jedenfalls lache ich herzhaft mit. Und nachher denke ich mir: das gibt doch Gesprächsstoff, da gibt es doch Erklärungen zu entdecken!
Die Handlung, ganz kurz zusammengefasst
Der sympathische, etwas übereifrige Alfred (Roger Rhyner) gibt sich als sein Chef aus, weil er bei seiner Flamme Chanel (Janina Dürrmüller) mit dessen schöner Wohnung angeben möchte. Er lädt sie dorthin ein. Natürlich taucht sein Chef in einem blöden Moment auf, aber nicht nur das, auch Petra, mit der Alfred sich zu vergnügen pflegte, was er heute nicht mehr an die grosse Glocke hängen möchte, sitzt plötzlich auf dem Sofa und stellt Ansprüche. Die einzelnen Rollen sind schön ausgearbeitet. Udo, der Chef (Leopold Ramhapp) hat schlimme Schmerzen „am Füdli“ - was er so gekonnt darstellt, dass es einem selber bald wehtut - und Chanel lässt sich dauernd in affektierter Weise auf den Boden fallen – sie übt auf der Bühne für eine Rolle. Udos Gattin Isabel (Tina Kratzer) ist fast ständig abwesend, wohl am Shoppen, tritt aber punktuell prägnant auf, und Amadeus (Markus Stadelmann) ist ein bäriger Machtmensch, der letztendlich ebenfalls nur das Gute will.
Eine weitere Rolle spielt ein Gegenstand: die Kaffeemühle, welche nach jahrzehntelanger Weitergabe in weiblicher Erbfolge erstmals bei einem Mann gelandet ist, nämlich bei Alfred, der sie ständig im Blick hat, denn:
Es darf nicht an der Kaffeemühle gedreht werden!
Sonst geschehe nämlich ein grosses Unglück. So warnte die Urgrossmutter die Grossmutter, die Grossmutter die Mutter, und die Mutter Alfred. Wenn man im Alten herumdreht, kommt nämlich nichts Gutes raus - oder eben doch? Natürlich wird in einem Handgemenge dieses Verbot versehentlich missachtet, worauf es blitzt und donnert. Das Licht geht aus, Dunkelheit und Stille.
Danach sind zwei Identitäten vertauscht. Petra wird Udo, Udo wird Petra. Also innen, aussen sehen sie gleich aus wie vorher. Es entstehen eine kolossale Verwirrung und neue Dimensionen. Zuerst viel Geschrei, aber dann wird anständig miteinander gesprochen. Die neue Perspektive erweckt auch Interesse dafür, wie das Gegenüber die Welt wahrnimmt, und aus dem Interesse entsteht Verständnis. Man bekommt neue Ideen, wie das Zusammenleben besser gestaltet werden kann. Als das alle getscheckt haben, dürfen Petra und Udo in ihre jeweiligen Körper zurückkehren. Und sie haben einen Plan, der ihre Probleme löst.
Kein Frieden ohne Dialog.
Von Eva Gallati, Kulturbloggerin
Autor
Kulturblogger Glarus
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