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Zwei Jubiläen, zehn Stimmen: Teil drei – Glarus Süd
2011 trafen sich die damaligen Gemeindepräsidenten und der Landammann auf dem Tödi zum Start der drei Glarner Einheitsgemeinden. Nun feiern die drei Gemeinde ihr Zehnjähriges – dieses Mal nicht in der Höhe, sondern im Tal, in den Dörfern, bei den Menschen.
29 Jubiläumsbänkli werden 2021 und 2022 im ganzen Glarnerland aufgestellt. Die Idee stammt von Avoi aus Niederurnen. Das Bänkli-Modell ist zum Beispiel in Rüti schon bekannt. Dort stehen seit einigen Jahren zwei solcher «Glarnerbänkli».
10 Jahre, 29 Jubiläumsänkli und dann gleich noch eine Zahl – die 50. Sie steht für ein weiteres Jubiläum, das die ganze Schweiz 2021 feiert: das Frauenstimmrecht. Zum Zehnjährigen der Gemeindefusion kommen deshalb in dieser kleinen Kulturblog-Serie Glarnerinnen zu Wort: drei aus jeder Gemeinde und eine für den Kanton. Auf die Stimmen aus Glarus Nord und der Gemeinde Glarus kommen heute drei Frauen aus Glarus Süd zu Wort – eine Zuzügerin und zwei Schwestern. Zuerst aber dazu, wie die Gemeinde Glarus Süd ihr zehnjähriges Bestehen feiert.
So feiert Glarus Süd
Glarus Süd hat die Jubiläumsaktivitäten bewusst den Vereinen in den 17 Dörfern übergeben und stellt Ressourcen dafür bereit. Aufgrund der Corona-Massnahmen wurden diese Aktivitäten verschoben. Ihre Ideen können die Vereine bei der Gemeinde einreichen – vom Fussballturnier, über das Chorkonzert bis zum Kinder-Skirennen ist alles willkommen auf dem Programm, das sich durch ein ganzes Jahr zieht. Die südlichste Gemeinde nimmt die Idee aus der nördlichsten Gemeinde an, auch im tatsächlichen Jubiläumsjahr ein Zeichen zum Zehnjährigen zu setzen. «Wir brauchen am meisten Jubiläumsbänkli», erklärt Gemeindepräsident Mathias Vögeli und ergänzt: «Es wird nicht einfach, die Standorte zu bestimmen, weil es Kraftorte sein sollen – und davon gibt es bei uns sehr viele.» Kraft ist auch das Motto, das die Gemeinde Glarus Süd seit 2011 als Slogan mit sich trägt. Von ihren 17 Jubiläumsbänkli stellt die Gemeinde Glarus Süd dieses Jahr drei auf: eines im Revier Sernftal beim Altersheim Elm, eines im Revier Schwanden bei der Hanslirunse in Mitlödi und eines im Revier Grosstal beim Diesbachfall.
Cornelia Kälin (1974)
Gestalterin/Hochbauzeichnerin aus Rüti
Was gefällt Dir besonders an Glarus Süd – ganz allgemein und speziell kulturell?
Angelockt haben mich die Berge und der Sternenhimmel. Und lieb gewonnen habe ich die offenen und interessierten Dorfbewohner. In Rüti fühle ich mich zu Hause. Auch dass nicht immer alles so «usepützlet» ist in Glarus Süd, empfinde ich als Wohltat. Kultur ist für mich, wenn man am Brunnen vor dem Haus ins Gespräch kommt. Hier lernt man Menschen kennen und erfährt Geschichten aus dem Dorf. Von früher, als die Textilfabriken noch in Betrieb waren, es ein Badehaus gab und in unserem Haus noch der Nachtwächter wohnte. Diese «direkte Kultur» mag ich sehr.
Was würdest Du in den nächsten zehn Jahren in Glarus Süd ändern, wenn Du die Möglichkeit dazu hättest?
Im Dorfkern gibt es keinen Dorfladen und keine Schule mehr. In meiner Vision entsteht darum ein Ort, an dem ein vielseitiger und generationenübergreifender Austausch gelebt wird. Neben Dorfgesprächen sehe ich auch eine «Dienstleistungs-Börse», wo kleine Gefälligkeiten ausgetauscht werden können. Ein Platz, der durch die Besonderheiten der Dorfbewohner mitgestaltet wird.
Welches ist Dein Lieblingsort in Glarus Süd – wo würde also Dein persönliches Jubiläumsbänkli stehen?
Mein Lieblingsort kann jeden Tag an anderer Stelle sein. Wichtigste Zutaten sind Berge und Bäume in meinem Sichtfeld. Es sind Plätze, von welchen ich mich «aufschlucken» lassen kann. Bänkli benötige ich dazu keines. Am liebsten lege ich mich ins Gras oder setze mich auf einen Stein.
Leonie (2001) und Pamina (1998) Della Casa
Osteopathie-Studentin und Hochbauzeichnerin aus Schwanden
Was gefällt Euch besonders an Glarus Süd – ganz allgemein und speziell kulturell?
Pamina: An Glarus Süd schätze ich die Natur und Biodiversität, die durch zahlreiche Wanderwege entdeckt werden kann. Berge, Bergseen und Wälder gibt es in grosser Vielfalt. Zu den Bergen gehört ebenso die traditionelle Alpwirtschaft. Mir gefällt die Alpsömmerung sehr, denn dabei kommen grosse Herden von ganz vorne im Kanton zusammen und läuten mit ihren Glocken den Sommer ein beziehungsweise aus.
Leonie: Gegen die kalten Jahreszeiten verliebe ich mich jedes Mal auf's Neue in den Süden. Es beginnt mit dem Alpabzug und dem edlen, herbstlichen Schmuck, den die Kühe tragen. Ende Oktober schwirren die ersten Schmetterlinge in meinem Bauch, wenn ich die bunten, von der Sonne getränkten Herbstwälder unseres Grosstals bestaunen kann. Zu dieser Zeit liebe ich das Wandern im Kärpfgebiet. Die goldbraunen und orangen Wälder lassen den Tödi mit seiner weissen Haube herausragen, und man wird sich bewusst, dass jeden Moment der Winter einbrechen könnte. Fällt das Laub und werden die Bäume kahl, verwandelt sich das Grosstal in eine etwas triste Gegend. In dieser Zeit habe ich meinen ersten Liebeskummer. Trost finde ich dann im Wald – liegend sowie spazierend durch die trockenen Laubmassen.
Es wird Dezember, die Tage sind kürzer und der erste Schnee ist gefallen. Mein Feuer entflammt von Neuem, wenn ich in den kalten, frühen Morgenstunden das Bimmeln und Rufen der Kinder beim «Chlausschällnä» höre. Eine Tradition in Glarus Süd, die ich sehr wertschätze und als Primarschülerin selbst erleben durfte. Dabei vertreiben wir in den kalten und dunklen Winternächten böse Geister. Fallen die ersten Schneemassen in kurzer Zeit, schlägt mein Herz nur noch für den Süden und seine beiden tiefverschneiten, märchenhaften Täler. Diese Zeit geniesse ich am liebsten in Braunwald, den Weissenbergen oder in Elm.
Pamina: Eine aussergewöhnliche Tradition, die ich auch sehr schön finde, ist das «Fridlisfüür». Anfangs März baut die Gemeinde den Scheiterhaufen auf. Dazu werden die dürren Weihnachtsbäume verwendet und von jungen Schülern Fackeln für das Anzünden des Holzhaufens gebastelt. In fast jedem Dorf kann man das Feuer bestaunen. Mit dem Fridolinsfeuer wird das Ende des Winters gefeiert, wobei der letzte Schnee trotzdem meist bis Mitte April anhält.
Leonie: Dann neigt sich die kalte Jahreszeit dem Ende zu. Ich beginne meine Gemeinde zu verlassen – gegen Sommer zieht es mich Richtung Klöntal. Eine kleine Flamme in meinem Herzen brennt aber immer für den Süden. Und ist der Sommer vorbei entfacht sie von Neuem.
Was würdet Ihr in den nächsten zehn Jahren in Glarus Süd ändern, wenn Ihr die Möglichkeit dazu hättet?
Leonie: In Glarus Süd vermisse ich noch das Gefühl von Zusammenhalt und Gemeinschaft. Oft finden Veranstaltungen in den einzelnen Dörfern statt. Ich fände es grossartig, Projekte zukunftsorientiert zu planen. So würde ich zum Beispiel die Bedeutung der Natur für die Gemeinde in die Veranstaltungen einbeziehen. Konkret stelle ich mir darunter ein familiäres Zusammenkommen der Gemeinde vor, um gemeinsam die Zukunft der jüngeren Generation im Süden nachhaltig zu gestalten.
Pamina: Unsere Gemeinde hat das Privileg, eine Attraktion für Naturliebhaber zu besitzen – Berge, Wälder, Gewässer. Die Natur ist zusätzlich von grosser Bedeutung für den Tourismus. In dieser Hinsicht würde ich in Zukunft den Fokus auf den Ausbau der Angebote in der warmen Saison ausrichten. So wäre zum Beispiel der Bau eines Seilparks eine abenteuerliche, familiäre, sportliche und nachhaltige Ergänzung zu Wanderrouten und Kletterangeboten.
Leonie: Ich könnte mir vorstellen, dass Orte wie Braunwald oder Elm mit ihrem Panorama ideal dafür wären. Um die Natur zu erhalten, müssen wir sie aber schützen und pflegen. Dazu würde ich die Förderung der Biodiversität auch in den Dörfern, das Aufforsten und den Ausbau von Naturschutzgebieten vorantreiben.
Um solche zukunftsorientierten und nachhaltigen Projekte zu entwickeln und voranzutreiben, würde ich die Möglichkeiten für den Austausch in der Gemeinde fördern. Als Inspiration dazu dient der Raum Tomorrow in Glarus. Ein öffentlicher Ort, der für jeden mit Interesse am Austausch über das Morgen zugänglich ist.
Welches ist Euer Lieblingsort in Glarus Süd – wo würde also Euer persönliches Jubiläumsbänkli stehen?
Pamina: Mein Lieblingsort liegt beinahe im geographischen Zentrum unserer Gemeinde. Fast wie das Herzstück von Glarus Süd – das Kärpfgebiet. Es wird umschlossen von den beiden Tälern, «s’Gross- und s’Chliital», aus welchen sich die Gemeinde zusammensetzt. Das Wildtierschutzgebiet Freiberg Kärpf dient dem Schutz und der Erhaltung von seltenen und bedrohten, wildlebenden Säugetieren und Vögeln. Der besonders ausgewiesene, geschützte Lebensraum ist das älteste Wildtierschutzgebiet in ganz Europa.
Leonie: Auch mich zieht es dort zum Wandern hin, um in der Natur zu verweilen und diese am liebsten an einem sonnig warmen Herbstnachmittag zu geniessen. Der Freiberg Kärpf ist ein Kraftort, wo ich pure Erholung nur durch das Sein erfahre. Wenn ich nun einen spezifischen Ort im Wildtierschutzgebiet benennen müsste, wäre dies nahe dem Bächlein im Moor auf der Matt. Ein Ort, an dem ich mich sehr gerne zum Dösen hinlege, dem Summen und Brummen von Insekten oder dem Plätschern des Bächleins lausche und die Sonnenstrahlen auf der Haut meines Gesichts herumtanzen lasse.
Zehnte Stimme für gefunden: Kommende Woche geht es an gleicher Stelle weiter mit der zehnten Stimme, die sich zum ganzen Kanton äussert. Schliesslich hiess es auch beim Projekt GL2011: drei starke Gemeinden, ein wettbewerbsfähiger Kanton. Nach dem Aufruf vom 24. Oktober hat sich eine Frau gemeldet, die im Namen einer kantonsweit aktiven Organisaiton am 14. November 2021 ihr Wort halten wird.
Autor: Werner Kälin
#10JahreGlarus
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Kulturblogger Glarus
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