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Revidieren, aber andersrum

2024 ist ein sozialpolitisch bewegtes Jahr. Im Herbst geht’s mit der Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) erneut darum, wie die Menschen in Zukunft ihren Lebensunterhalt stemmen. SP-Landrat Werner Kälin meldet sich zur Debatte.

Diese Frage ist in unserem Land keinesfalls überflüssig: In der reichen Schweiz sind 1,35 Millionen Menschen, darunter 275'000 Kinder, von Armut betroffen oder bedroht. Tendenz steigend. Der Grund dafür ist eine Politik, die Sozialleistungen abbaut. Armut führt zu weniger Partizipation, mehr Fremdenfeindlichkeit und Polarisierung. Diese Zusammenhänge belegte der Direktor der Hochschule für soziale Arbeit und Gesundheit Lausanne an der neulichen Mitgliederkonferenz der SP60+ wissenschaftlich.

Nebst meinem lokalpolitischen Wirken bin ich Sekretär des SP-Organs, das sich dem Altern widmet. Bei der SP60+ engagieren sich rund 3000 Mitglieder für ein Nein zur BVG-Revision, obwohl sie selbst nicht davon betroffen sind. Besonders betroffen sind Erwerbstätige über 50 und die Mittelschicht. Die SP60+ engagiert sich dennoch, weil ihre Mitglieder wissen, dass nach der Pensionierung die Anfälligkeit auf Armut steigt. Denn über 50 Jahre nach Einführung des Dreisäulenkonzepts ist dessen Verfassungsauftrag immer noch nicht erfüllt. Eigentlich müssten alle nach der Pensionierung mit der 1. und 2. Säule (AHV und BVG) ihren gewohnten Lebensstandard fortsetzen können.

Auch die BVG-Revision erfüllt dieses Versprechen nicht. Statt den Fokus auf das Verfassungsziel zu legen, bittet sie Menschen zur Kasse, die wenig verdienen. Unter anderem durch die Senkung der Eintrittsschwelle auf 19'845 Franken Jahreslohn. Dadurch werden 70'000 Personen neu BVG-pflichtig und haben 30'000 Personen einen höher versicherten Lohn. Zusammen mit ihren Arbeitgebern zahlen sie also zusätzliche Beiträge in die Pensionskassen. Das führt in zu vielen Fällen dazu, dass nicht etwa das Rententotal einer Person steigt, sondern die Ergänzungsleistungen (EL) sinken. EL erhalten Menschen, deren Rente und Einkommen die minimalen Lebenskosten nicht decken. Mehr noch: Während wir künftig mehr Geld in die Pensionskassen pumpen, sinken unsere Renten durch einen tieferen Umwandlungssatz.

Wollen wir wirklch mehr für weniger Leistung bezahlen? Ich finde nein, auch weil die berufliche Vorsorge zu teuer in der Administration ist: Während der Staat die AHV mit schlanken 227 Millionen Verwaltungskosten im Jahr betreibt, zwackt nämlich die privatwirtschaftliche Pensionskassenindustrie jährlich 7 Milliarden Verwaltungskosten ab. Das ist nicht nur zu ungerecht für einen Sozialdemokraten, das ist einfach ineffizient.

Danke für Ihr überzeugtes Nein am 22. September zur BVG-Revision. Die berufliche Vorsorge gehört zwar revidiert, aber andersrum.

Autor: Werner Kälin, Landrat, Ennenda

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SP Kanton Glarus

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Publiziert am

02.08.2024

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