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Das Paradies am Grüeziweg
Am oberen Dorfrand von Ennenda gibt es einen paradiesischen Garten, der seit einigen Jahren nach den Prinzipien der Permakultur bewirtschaftet wird. Ende Mai ergab sich die Gelegenheit einer Begehung des Grundstückes. Organisiert wurde der Anlass vom Verein Bioterra, Regionalgruppe Glarus.
Auf dem bekannten Grüeziweg in Ennenda begegnen wir Spaziergänger:innen in jeder Jahreszeit viel schönem pflanzlichem Dasein, das sich wiederum hoffentlich auch freut über die frische Zufuhr von menschlicher Atemluft und Aufmerksamkeit. Die Aussicht lässt den Blick in die Ferne schweifen zu den majestätischen Bergen wie Kärpf, Tödi, Glärnisch, Wiggis und hinaus aus dem Tal, auch zu idyllischen Dörfern mit ihren Kirchtürmen und historischen Häusergruppen, zu Kuhweiden und Villengärten. Hier oben zu wandeln macht das Herz weit und stolz: an keinem anderen Ort in der Welt ist es so schön!
Vom Zivilschutz wieder aufgebaute und instand gehaltene Natursteinmauern säumen den schmalen Pfad zwischen dem Atzgenbänkli und Ennetrösligen, wo man nicht weit vom Waldrand an Wiesen und Hoscheten entlang spaziert. Bei einem Gaden wird es eng, es summt und duftet zum Greifen nah. An der hölzernen Hauswand sind Bienenkästen angebracht, die „Flugschneise“ befindet sich in etwa drei Metern Höhe, man kommt also bequem aneinander vorbei. Wer hinein schaut, wähnt sich in einem Tessiner Bergdorf, so heimelig und verschachtelt, steinklobig und holzverwittert, so dschungelartig überwachsen zeigt sich der kleine Platz neben dem ehemaligen Stall: der Eingang zu einem Paradiesgarten.
An einem wolkenverhangenen Samstag Vormittag im Frühsommer ist es dann soweit, ich darf zum ersten Mal in den Garten hinein, der sich vom Grüeziweg bis unter den Waldrand hinauf erstreckt. Gärtner Boris Juraubek begrüsst die bunte Schar im Schatten der Pergola, wo sie eng zusammenrücken muss. Der Anlass ist seit Wochen ausgebucht, das Interesse also gross an dem „etwas anderen Gärtnern“: hier ist ein Permakulturgarten am Sein und Werden. Boris hat das Land 2014 als Alleinpächter übernommen, er gärtnert auf der einen Hektare beim kleinen Haus, baut Wege, Flächen, Unterstände für Mensch und Werkzeug, und er schafft neue Lebens- und Entfaltungsräume für die unterschiedlichsten Pflanzen, vom unscheinbaren Heilkraut über duftende Rosenbüsche, fruchttragende Hochstämme bis zum imposanten Baumriesen.
Die angrenzenden Wiesen sind geben ein Beispiel, wie es hier vor seiner Zeit aussah: „Es ist ein sonniger, trockener Hang mit wenig Humus, die Schicht betrug am Anfang stellenweise nur 5 – 10 cm mageren Boden. Tiere haben alles abgeweidet, sodass als erstes ein Hag angebracht wurde, um die Wildtiere abzuhalten (wobei der Wolf auch ein wenig mit geholfen hat). Beim Hagen kamen viele Steine zum Vorschein, die zum Bau von Wegen verwendet wurden.“
Als Erstbepflanzung wählte Boris Kartoffeln und baute mit Beerensträuchern gesäumte Terrassenwege daneben, mit dem Zweck, mehr Humus aufzubauen, der auch zur Wasserspeicherung dient. Auf den entstandenen Etagen pflanzt der Gärtner Kräuter als Bodendecker, Halbsträucher, kleine Bäume und Hochstamm-Obstbäume. Jede Ebene wird in jedem Entwicklungsstadium so gepflegt, dass alle Gewächse genug Licht bekommen. Neue Ebenen oberhalb der etablierten Wege kommen hinzu, das Land wird sukzessive kultiviert. Boris Juraubek zählt auf, was hier alles wächst, erklärt das Zusammenspiel der Arten anhand von einzelnen Beispielen. Es ist unglaublich spannend! Hier wachsen unzählige verschiedene Pflanzen und Bäume friedlich beineinander – „auch exotische Pflanzen, ich bin vorsichtig damit, aber lasse ihnen auch etwas Platz – schliesslich wird sich unsere Vegetation wegen der Klimaveränderung sowieso anpassen müssen.“
Perma bedeutet: immerwährend, ununterbrochen, fortdauernd
Konkret heisst dies, dass der Boden immer bewachsen ist, nur in der Winterruhe liegt er stellenweise brach. Es wird weder umgegraben, gepflügt noch in Monokulturen angesät – denn Vielfalt hilft der Gemeinschaft der Pflanzen. Es hilft, den Boden mit schützendem Material zu bedecken, hier kommt beispielsweise rohe Schafwolle zum Einsatz. Kein Unkraut wird mit der Wurzel ausgerissen, aber fleissig zurückgeschnitten. Alle so gewonnene Biomasse wird weiter verwendet. Boris hält Schweine, die in verwilderten Gärten eingesetzt werden, wo sie sorgsam und hungrig ihre Nahrung suchen und die Erde weich, locker und bereit zur neuen Bepflanzung hinterlassen. Einige Laufenten im Garten lassen sich die Nacktschnecken schmecken.
Kultur bedeutet: Pflege und Gestaltung, auch Verehrung im geistigen Sinne
Der Mensch pflegt, was in der Vielfallt wächst, und er greift regulierend ein - „das ist wichtig!“, meint Boris, denn „der Schnitt dient der Pflege des geschnittenen Baumes, er setzt zum Beispiel Impulse zum Weiterwachsen. Er nützt aber auch den Nachbarpflanzen, indem er ihnen mehr Licht und Raum zur Entfaltung verschafft. Aber auch das gewähren lassen ist wichtig, die Geduld zu warten bis sich etwas hervor wagt, bis sich die Richtung zeigt, in die etwas wächst.
Der gelernte Gärtner arbeitet in seinem eigenen Garten ohne Plan, lernt durch Erfahrung, ergänzt, tüftelt und findet neue Lösungen. So bindet er die Kronen von spindelförmig gewachsenen Obstbäumen herunter: dies erleichtert nicht nur die Ernte, die am Hang schwierig und gefährlich ist, sondern beeinflusst auch die Licht- und Schattenverhältnisse. Ausserdem wird auf diese Weise so genanntes Wertholz produziert, da die Stämme schön gerade wachsen.
Die Kinder strömen aus, rennen umher; sie haben lange genug zugehört. „Ihr dürft jetzt Erdbeereli suchen, dort hinten findet ihr welche“, sagt Boris, und ermahnt sie: „aber nur Sachen essen, die ihr kennt!“
Jeder Lebens- und Arbeitsbereich eignet sich dafür, als Modell der eigenen Wertvorstellungen gestaltet zu werden. Dies zeigt mir heute der Garten am Grüeziweg in aller Schönheit und Zweckmässigkeit. Dies zeigt auch das Konzept der Permakultur - möge sich ausbreiten und etablieren, was allen gleichermassen gut tut!
Auf meinem Google-Streifzug fand ich übrigens den Begriff PERMA noch in einem anderen Zusammenhang. In der Positiven Psychologie existiert er als Modell, um in Bewegung zu kommen und Neues zu gestalten - im Gegensatz zur konservativen Erstarrung, zu Kontrolle, Vorurteilen und den vielen anderen bekannten Effekten des (geistigen und emotionalen) Sich-Nicht-Bewegens.
Positive emotions
Engagement
Relationship
Meaning
Achievement
Text und Bilder von Eva Gallati, Kulturbloggerin
Autor
Kulturblogger Glarus
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