Glarus
Drei neue Ausstellungen im Kunsthaus Glarus
Das Kunsthaus Glarus zeigt vom 14. Juli bis 24. November drei neue Ausstellungen mit den Positionen von Jay Chung & Q Takeki Maeda und John Miller, sowie einen Einblick in die Sammlung des Glarner Kunstvereins mit Werken von Paul Fröhlich. Die Vernissage findet am 13. Juli ab 18 Uhr statt.
Das Künstlerduo Jay Chung und Q Takeki Maeda zeigt unter dem Titel „GNOMONS“ Arbeiten, die für das Kunsthaus neu gestaltet worden sind. „Gnomon“ bedeutet Schattenzeiger und ist ein aus der Antike bekanntes Instrument in der Form eines senkrecht in den Boden gesteckten hölzernen Stabes. Der Stab diente zur Bestimmung der geografischen Breite eines Ortes, der Nordrichtung, der Tag- und Nachtgleichheit und der Sonnenwenden.
Die Künstler arbeiten seit 2003 kollaborativ zusammen. Ihre Kunst steht nicht in Verbindung mit einer bestimmten Art des Kunstschaffens. Es geht vor allem um die Bedingungen für eine Kunstproduktion zeitgenössischer Kunst. Aus philosophischer Sicht geht es um die Lehren des Seins, die sich mit den Grundstrukturen der Realität befasst.
Fragen wie: Was ist der Mensch? Was ist Materie? sind für diese künstlerische Auseinandersetzung zentral. Die Arbeiten beziehen sich auf die 1980-er bis 1990-er Jahre, wo vor allem die Formensprache ins Zentrum gerückt worden ist. Die Formensprache wird mit dem Minimalismus in Verbindung gebracht. Dieser strebt nach Objektivität, schematischer Klarheit und Logik. Die eigene Persönlichkeit des Künstlers wird nicht ins Zentrum gerückt. Die Minimalart ist eine Gegenbewegung zur gestischen Malerei des abstrakten Expressionismus.
Das Künstlerduo verwendet alltägliche Materialien in Verbindung mit fotografischen Darstellungen von unspektakulären Motiven im ländlichen Deutschland. Der Charakter dieser Arbeiten täuscht darüber hinweg, dass es sich um Visualisierungen einfacher geometrischer Berechnungen, Linien und Winkel sowie elementare Arithmetik handelt. Neben der Dualität der Arbeiten aus den 80-er und 90-er Jahren betonen die Künstler Stereotypen mit der Mehrdeutigkeit der damit verbundenen Objekte.
„Gnomons“ konzentriert sich auf einen klassischen Text aus der Antike der chinesischen Kultur und setzt sich mit den „Neun Kapiteln der Rechenkunst“ auseinander. Das Buch zeigt den Stand der chinesischen Mathematik des 1. Jahrhunderts nach Chr. und gehört zu den bedeutendsten der Sammlung „10 mathematische Klassiker“. Das Buch ist in benachbarten Ländern wie Korea, Japan und Vietnam benützt worden. Den Betrachtern:innen bietet der Text einen Einblick in das chinesische Leben vor zwei Jahrtausenden. Es handelt sich um das frühe chinesische Handbuch der Mathematik, welches aus 246 Rechenaufgaben aus den Anwendungsgebieten Bautechnik, Landwirtschaft und dem Handel besteht. Ausgewählte Problemstellungen aus den erwähnten neun Kapiteln bilden die Grundlage für eine Gruppe von miteinander verbundenen Zeichnungen, Skulpturen und Fotografien.
In Kapitel sechs geht es um die „gerechte Verteilung von Gütern“. 28 fortgeschrittene Verhältnisaufgaben zur gerechten Verteilung von Gütern bilden den Inhalt. Ein Beispiel ist die Aufgabe der Verteilung von Soldaten auf Garnisonen an den Grenzen, oder das Teilen und der Transport von Gütern. Die Bedeutung des Wechselkurses wird thematisiert. Hier geht es um die für ein Land gültige Währung zum Tausch von Gütern. Damit wird die wichtige Funktion der Tauschbarkeit und Werterhaltung angesprochen. In der Ausstellung wird die Problematik von Wechselkursen in Arbeiten auf Papier sichtbar. In jüngeren Ausstellungen konzentrieren sich die Künstler auf Narrative und zeigen, wie diese real und imaginär in der Produktion, dem Konsum und dem Vertrieb von Kunst eingesetzt werden.
John Miller, 1954 geboren, lebt und arbeitet in New York und Berlin. Er zeigt im Kunsthaus „The Ruin of Exchange“ (der Ruin des Austauschs) mit einer Auswahl von Arbeiten aus den Jahren 1994 bis 2024.
Derzeit ist er Professor of Professional Practice am Barnard College der Columbia Universität. Mit seinen Arbeiten ist es schwierig, ihn auf ein Markenzeichen oder einen künstlerischen Stil festzulegen. Charakteristisch ist für sein Werk die Wandelbarkeit, verbunden mit der Beschränkung persönlicher Gesten. Empfindungen sind minimiert und das Reale wird ohne Leidenschaft dargestellt.
Seine Beziehung zwischen künstlerischer Praxis und sozialen, institutionellen Faktoren ist beharrlich. Seine differenzierte Sichtweise ist wichtig für das Verständnis von Kunst als Ware. Der Künstler zeigt Interesse für alltägliche Dinge, die oft unentdeckt und subtil bleiben. Die Welt, wie sie Menschen konstruieren ist ein Merkmal seiner Werke. Es wird sichtbar, wie Ideologien das Bewusstsein der Realität beeinflussen.
In diesem Zusammenhang reflektiert sich der Titel der Ausstellung „The Ruin of Exchange“. Der Tausch ist immer etwas, das sich in der Umgebung entfaltet. Kapital kann nicht in einem Vakuum existieren. Ohne Berücksichtigung des Umfeldes verfällt man in idealistische Abstraktionen. Ältere und neue Werke deuten darauf hin, dass uns mit dem Begriff „Ruin“ der Tausch oder der Wert des Tauschs im Stich lässt. Kapital kann sich nur in einem Tauschprozess gegen die Arbeitskraft vermehren, indem die Lohnarbeit Realität wird. Die Austauschbeziehungen zwischen den Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden sind für alle Volkswirtschaften die Grundlagen der Entwicklung. In der modernen Landwirtschaft wird der Boden als Zins, statt als Kapital betrachtet, mit mittelbar negativen Auswirkungen auf die Entwicklung einer Gesellschaft. Die Lohnarbeit kann andererseits zur Entfremdung führen, so dass Abhängigkeiten mit unterschiedlichen Profitstrukturen entstehen und ein „Knecht-Herrschafts-Verhältnis“ die Folge ist.
Paul Fröhlich (1901 bis 1939) ist in Ennenda in wohlhabenden Verhältnissen aufgewachsen. Er stammt aus einer Industriellenfamilie, die im internationalen Textilhandel tätig gewesen ist. Fröhlich bewunderte die europäische Avantgarde seiner Zeit und lebte von 1931 bis 1932 und 1925 bis 1927 in Wien und Paris. Sein Leben war charakterisiert durch die Spannung zwischen dem evangelischen Bürgertum und dem künstlerischen Leben, welches er für sich wünschte.
1935 gelangte der Nachlass Paul Fröhlichs als Schenkung in die Sammlung des Glarner Kunstvereins. Der Nachlass umfasst 17 Ölgemälde und mehrere Hundert Zeichnungen und Radierungen. Das Kunsthaus präsentiert eine monografische Ausstellung. Neben einer Auswahl seiner Ölgemälde wird eine bedeutende Anzahl Radierungen und Zeichnungen präsentiert. Die Werke beziehen sich zum grossen Teil auf Sujets, die fantastische und surreale Motive zeigen. Die Bildersprache zeugt von den Einflüssen der europäischen Kunstströmung des frühen 20. Jahrhunderts. Als Autodidakt entwickelte er in seinen Zeichnungen, den Radierungen und der Malerei einen eigenen Stil, der von Surrealismus und Symbolen durchdrungen ist. In Fröhlichs Landschaften herrscht eine geheimnisvolle Stimmung, die eine eher düstere Weltsicht offenbart. Fröhlich litt das ganze Leben unter Depressionen. Es gelang ihm nicht, sich auf dem Kunstmarkt zu etablieren. Zuletzt lebte er in Ascona, wo er sich im Alter von 38 Jahren das Leben genommen hat. 1997 ist vom Glarner Kunstverein ein Überblickskatalog herausgegeben worden.
Eduard Hauser
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