Glarus
Kunsthaus Glarus: Letzte Dialogführung und Publikumspreis
Marco Russo, Erika Schneider-Pfaff und Darya Rhyner waren beim letzten Dialog zur Ausstellung „Kunstschaffen Glarus M-Z“ mit von der Partie. Die persönlichen Gespräche haben interessante Hintergründe ihres Schaffens frei gelegt. Olga Titus erhielt den mit 1000 Franken dotierten Publikumspreis, gestiftet von der glarnerSach.
Marco Russo
Der Künstler arbeitet mit einer klaren Methodik, selbst definierten Regeln und Mustern. Die Kompositionen basieren teilweise auf Fotos von Landschaften. Bei der ausgestellten Malerischen Serie »Incontri» geht es um Farbflächen, deren Begegnungen und Kombinationen. Es werden Grenzen gezogen, die Kontraste entstehen lassen. Farben ziehen sich an um sich gleichzeitig wieder abzustossen. Die Flächen machen ihre Unterschiede deutlich, dringen ineinander ein, ohne miteinander zu verschmelzen oder zu zergehen. Der Künstler hat sich, nach der Ausbildung in Luzern und Zürich, im Glarnerland niedergelassen. Er kann besser als in Zürich arbeiten, schätzt aber auch die Nähe zur Stadt. Die Dualität Stadt und Land ist für die künstlerische Arbeit anregend...
Marco Russos Arbeiten grenzen sich vom Maschinellen und Industriellen bewusst ab. Die Begegnung mit dem langsamen malerischen Prozess steht im Vordergrund. Es handelt sich bei dieser künstlerischen Auseinandersetzung um eine Wiederentdeckung der Langsamkeit. Damit erfolgt eine klare Abgrenzung zum industriellen Prozess, der auf Produktivität und Effizienz ausgerichtet ist. Die Malerei appliziert der Künstler auf selbstgemachten Jute-Leinwänden mit leuchtenden, kontrastreichen Schichten.
Daria Rhyner
Die Künstlerin ist ursprünglich Architektin, hat sich aber in den letzten Jahren mit der künstlerischen Gestaltung auseinandergesetzt. Der Beginn der künstlerischen Arbeit ist bei der Malerei zu verorten. Daraus hat sich die Auseinandersetzung mit der Nachhaltigkeit entwickelt. Sie verarbeitet für ihre Arbeiten im Umgang mit der Natur organische Materialien, seien es Früchte oder Gemüse. Der künstlerische Prozess ist von starker Experimentierfreude geprägt. Die Prozesse zur Entstehung der Arbeiten sind langsam und folgen den Spuren der Natur. Die organischen Materialien werden mit Pigmenten oder Goldfolien kombiniert. Die Entwicklung einer Arbeit kann Tage bis Wochen dauern. Die übereinander gelagerten Schichten führen zu überraschenden Produkten, die bei den Betrachtenden Fragen auslösen, „wie macht sie das?“ Die Künstlerin lässt bei ihrer Arbeit auch die Zufälle gelten, die oft zu interessanten Ergebnissen führen. „Ästhetik“ ist ein Prinzip, welches die künstlerischen Prozesse anregen. Die schönen Erscheinungsformen sind aber in direktem Austausch mit der Wirkung der organischen Materialien entstanden.
Erika Schneider-Pfaff
Die gelernte Schneiderin, Designerin und Lehrperson orientiert sich mit ihrer Arbeit an der letzten Seite der Zeitung Südostschweiz. Sie verwendet den Buchstaben „L“ als Zeichen der letzten Seite und verbindet dieses mit spontanen Zeichnungen. Sie geht von einem „Chribel“ aus, der als „Strich“ verstanden werden kann. Der „Chribel“ wird in ihrer Fantasie aufgenommen und weitergeführt, dem Strich folgend. In dieser Art und Weise entwickelt die Künstlerin Figuren, die spontan aus einer Eingebung folgen. Es handelt sich um Motive aus unserer Zeit, die in einem langen dauernden Prozess folgen. Alles fliesst ist eine mögliche Bezeichnung für alles, was sichtbar gemacht wird. Die Zeichnungen sind inspirierend und folgen dem Lustprinzip. Die Vielseitigkeit der Künstlerin zeigt sich auch bei anderen Gestaltungen, wie beispielsweise Tonfiguren oder Installationen, die für das Anna Göldi Museum erarbeitet worden sind. Eine Bemerkung einer Besucherin war für die Arbeit von Erika Schneider insofern interessant, als sie davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Künstlerin um eine junge Person handeln müsste. Die ältere Künstlerin hat diese Bemerkung sichtlich gefreut, weil die Frische und Spontaneität der Arbeit ein Merkmal sind.
Der Publikumspreis wird an der Urne entschieden. Alle Besucherinnen und Besucher können ihre Stimme abgeben. Dieses Jahr ging der Preis an Olga Titus.
Olga Titus, 2022, Digitaldruck auf Wendepaillette
Olga Titus ist in Glarus geboren und lebt heute in Winterthur. Von 1996 bis 1999 absolviert die Künstlerin eine Ausbildung zur Stickereizeichnerin bei der Union PLC in St. Gallen. Von 2002 bis 2006 studierte sie bildende Kunst an der Hochschule für bildende Kunst an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Luzern und verbrachte 2005 ein Semester am College of Fine Arts in Trivandrum, Indien.
Die Gestaltung der grossformatigen Arbeiten schaffen, mit ihrer Ausdruckskraft, eine Verbindung zwischen den Kulturen von Indien und der Schweiz. Olga Titus schafft mit ihren Werken Sehnsuchtsorte, die den Eindruck hinterlassen, dass alles im Fluss ist. Die Bilder aus Pailletten wirken stark auf unsere Wahrnehmung ein. Wenn man mit der Hand über die Pailletten streicht, verändert sich das Bild sofort. Vieles hat mehrere Facetten und lösen bei den Betrachtenden Fantasien aus.
Als Tochter einer Schweizerin und eines Malaien indischer Abstammung wächst die Künstlerin in der Ostschweiz auf. Fragen zu Identität und kulturellem Ausdruck begleiten sie ihr ganzes Leben und bilden die Grundlage ihrer Arbeit. Mit der Anbindung an die Herkunft der Künstlerin hinterfragt sie kulturelle Klischees. Sie bedient sich vorwiegend bei Bildern aus dem Internet und kombiniert die Bollywood-Ästhetik mit Folklore, den Computerspielen oder der Popkultur. Das Ergebnis sind digitale Collagen, die den Pailletten-Bildern als Druckvorlagen dienen.
Die Künstlerin selbst sagt, dass die Umsetzung ihrer Pailletten-Bilder nie abgeschlossen ist. Sie lassen sich immer wieder verändern. Je nach Lichteinfall wandelt sich das Farbenspiel, je nach Berührung richten sich die Pailletten neu aus. Das ist ein Hinweis auf die Bemerkung, dass alles im Fluss ist.
Eduard Hauser
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