Glaris
Ciao, Kulturblog - du Zeit voller Wundertüten
Der letzte Tag des Jahres 2024 ist der (vorläufige) Schlusspunkt für den Kulturblog - als Sparmassnahme des Kantons wird er eingestellt. Zeit, zurückzuschauen auf bewegte Jahre und Trouvaillen unter den Beiträgen. Und Zeit, zu danken: Ihnen fürs Lesen, für Zuspruch und Kritik. Den Kulturbloggerinnen und Kulturbloggern für ihren grossartigen Einsatz, für Esprit und Herzblut. Mit diesem letzten Beitrag verabschieden wir uns. Wichtig: Der Kulturblog bleibt online, die Beiträge sind weiterhin aufrufbar. Viel Vergnügen beim Stöbern - und kommen Sie gut ins 2025.
Hoppla! Das Konzert wird abgesagt. Das andere Konzert ebenfalls. Vernissage, Kunstausstellung, Theateraufführung: abgesagt, abgesagt, abgesagt. Auf dem Kalender steht Januar 2020, ein fieses Virus legt das Leben und den Kulturbetrieb lahm. Wie soll man da einen Kulturblog füllen, inspirierende Berichte schreiben, persönliche Eindrücke in Wort und Bild festlegen? Diese Gretchenfrage stellte sich, als ich vor vier Jahren die Leitung des Kulturblogs übernommen hatte. Und kein Grund für uns, den Stift hinzuwerfen. Denn wir strebten ein Ziel an: Auch wenn das kulturelle Leben zum Erliegen gekommen ist, soll der Kulturblog lebendig bleiben.
Kulturblogger Eduard Hauser etwa fasste den Kulturbegriff weiter und schrieb zum Beispiel über die „Kultur der Langsamkeit“. Swantje Kammerecker schilderte ihre Erfahrung als Mitglied des Glarner Kammerorchesters in Zeiten der Pandemie. Nach Lockerungen, Schliessungen und erneuten Lockerungen nahm der Kulturblog immer mehr an Fahrt auf und widerspiegelte das vielfältige kulturelle Angebot im Glarnerland, porträtierte Kunstschaffende im Bergkanton und solche, die ihre Spuren in der Welt hinterlassen. Die Freude, wieder Konzerte, Veranstaltungen, Kunstausstellungen und Sportveranstaltungen besuchen zu können, flammte in jedem Beitrag auf.
Das damalige Team mit Werner Kälin (der die Glarner Agenda und den Kulturblog zuvor betreute), Swantje Kammerecker, Eduard Hauser und Tin Jenny ergänzte sich perfekt – jede und jeder hatte seine Schwerpunkte und zeigte sich gleichzeitig als neugierig genug, auch einmal in einen anderen Bereich einzutauchen. Ging es ums Sound of Glarus, den Historischen Verein oder Denkmale, haute Tin Jenny in die Tasten. Waren am Kunsthaus Glarus Dialogführungen geplant, präsentierte der Videokünstler MARCK eine neue Installation oder lud Antonio Wehrli in Schwanden zu einer Ausstellung, stand das schon Wochen zuvor in Eduard Hausers Agenda. Drehte sich ein Anlass um Literatur, Theater oder Musik, fand Swantje Kammerecker die richtigen Worte, und Werner Kälin switchte von der Gemeindefusion mühelos zum Zirkus Mugg oder der HolzART.
Für ein paar Monate brachte sich Søren Ehlers, Mitbegründer des Theaters Knotenpunkt, ein – um kurz darauf festzustellen, dass sein Zeitfenster für den Kulturblog eben höchstens eine Spaltbreite umfasste. Unvergessen ist seine tiefgründige „Plauderei“ mit Schauspielerin Marianne Grosschedel, die in der Produktion „Erbä ohni sterbä“ der Chliibühni Glärnisch die Maria spielte und gestand: „Ich bin jedes Mal nervös.“
Frisch, fadegrad und feinfühlig
Ebenfalls aus Zeitgründen gab Tin Jenny den Austritt – sein neues Amt als Leiter der Fachstelle Digitale Verwaltung liess das Schreiben für den Kulturblog nicht mehr zu. Eva Gallati machte das Quartett wieder komplett: Frisch, fadegrad und gleichzeitig feinfühlig brachte sie zu Blog, was sie erlebte und nahm dabei kein Blatt vor den Mund. Etwa, wenn sie erzählte, weshalb der Auftritt von Helga Schneider bei ihr vor allem Irritation hinterliess und sie sich weiter lieber an Helge Schneider halten werde. Diese Ehrlichkeit, die ganz persönliche Einschätzung, war immer das Markenzeichen des Kulturblogs. Unabhängig, subjektiv und trotzdem differenziert, hiess die Devise.
Mit dem Zugang von Susanne Von Dach konnten wir uns über eine begnadete Fotografin im Team freuen. Die Niederurnerin mischte sich am liebsten mit der Kamera „unters Volk“, schaute und hörte genau hin – ob frühmorgens an der Landsgemeinde, beim Stapfen durch die nasse Wiese an der Näfelser Fahrt oder im lauten Treiben der Chilbi, und hielt ihre Eindrücke in Bildern fest. Als sie den einzigen Wanderdrechsler für ein Gespräch gewinnen wollte, brauchte sie einen langen Geduldsfaden. Es hatte sich gelohnt: Die Kulturbloggerin erhielt neben der Zusage ein gedrechseltes Mini-Weihnachtsbäumchen.
Dank Edi Hauser machte der Kulturblog nicht etwa an den Glarner Kantonsgrenzen Halt: Wann immer eine Künstlerin, ein Künstler mit Glarner Wurzeln an einer Ausstellung beteiligt war – ob in Südkorea, China oder im Engadin – gab es darüber einen Bericht zu lesen. Edis Augenmerk lag stets auf dem künstlerischen Prozess und der Persönlichkeit der Kunstschaffenden. Dank ihm erhielten wir einen Blick in die Entstehungsgeschichte eines Werkes. Sein Atelierbesuch bei Dominic Hartmann, 2022 ausgezeichnet mit dem Publikumspreis „Kunstschaffen“, zeigte eindrücklich die Entwicklung des Glarner Künstlers. Auch künstlerische Angebote waren Thema im Kulturblog. Swantje Kammerecker etwa nahm uns mit in die Glarner Malteliers – Orte für Gross und Klein, wo es kein Richtig und kein Falsch gibt und alle sich kreativ betätigen können.
Fastenzeit und Kultur?
Was hat die Fastenzeit mit Kultur zu tun? Mehr als gedacht, wie eine Gemeinschaftsserie an den Tag brachte – ein persönliches Kleiderfasten-Experiment inklusive. Im Kulturblog öffneten wir den Fächer weit, von der Tradition zur Moderne. So machte sich Susanne Von Dach auf die Suche nach einer Antwort, woher der Begriff „Fädelifriitig“ stammt und stiess auf die Farbenregeln beim früheren An“bändeln“ an der Fasnacht. Werner Kälin erörterte, seit wann und weshalb das Fridlisfüür ohne Feiertag brennt. Und dann wollte er noch wissen, was „Beer Pong“ ist und kehrte zurück mit der Einsicht, dass Bierbrauen ein kreativer Akt sein kann – die Frage nach dem „Beer Pong“ hatte er darob glatt vergessen. Eva Gallati widmete sich der Quartierkultur – in ihrem Fall ist es die Quartierbeiz, die ihr zu ihrem eigenen Erstaunen schon fast zu einer zweiten Heimat geworden ist. Ihre Schilderungen fanden im Team Anklang – Ehrensache, dass das nächste Meeting in eben dieser Beiz stattfand.
So wurde der Kulturblog immer wieder zu einer überraschenden Wundertüte und servierte mehr als ein Aha-Erlebnis. Wie ist es, in einem klassischen Orchester plötzlich Jazz zu spielen? Da konnte Swantje Kammerecker aus ihrer eigenen Erfahrung schöpfen. Wie ist es, als Helfer beim „Sound of Glarus“ dabeizusein? Werner Kälin brauchte dafür keinen Interviewpartner, sein Erinnerungsschatz bot reichlich Stoff. Und wer bringt eigentlich auf dem Landsgemeindeplatz die glänzenden Kugeln ins Rollen? Eva Gallati versuchte sich als Mitspielerin und erfuhr, dass sich die Pétanique-Crew auf neue Gesichter freuen würde. „Allez les boules!“, titelte sie über ihrem Text. Eduard Hauser berichtete von seiner Begegnung mit der Direktorin des Kunsthaus’ Glarus – mit Smalltalk hatte das gar nichts zu tun.
Der (vorläufige) Schlusspunkt
An jedem Kulturblog-Meeting sprudelten die Ideen. Man könnte noch diesen Verein vorstellen oder jene Künstlerin, das neue Buch, das bald erscheinen wird; man könnte aus zwei Perspektiven über die Landsgemeinde schreiben, das Jodelfest mit amerikanischer Mitwirkung besuchen, sich auf einen Kaffee mit „Mister Glarissimo“ treffen oder während der ganzen Advents- und Weihnachtszeit ganz persönliche Texte publizieren. Manches wurde umgesetzt, manches steht bis zum heutigen Tag auf der Ideenliste
Und wird dort vorläufig bleiben. Am letzten Tag des Jahres setzen wir einen Punkt hinter die reiche Ernte. Das hier ist der Abschiedstext – zumindest so lange, bis der Kulturblog vielleicht, vielleicht wieder aus dem Dornröschenschlaf geküsst wird. Doch von der Bildfläche verschwindet die Sammlung an Glarner Kulturerlebnissen, Porträts oder Reportagen nicht: Das Portal bleibt 2025 bestehen, und Sie können weiterhin in aller Ruhe nachlesen, wie es nun wirklich war mit dem „Beer Pong“, welche Bedeutung die dunkelblauen „Fädeli“ hatten oder wie das Meeting von Klassik und Jazz gelaufen ist. Und haben Sie gewusst, dass der 24. Dezember ein besonderer Gedenktag für einen besonderen Glarner ist? Falls nicht: Der jüngste Kulturblog-Beitrag von Werner Kälin klärt auf. Viel Vergnügen bei der Lektüre!
Wir bedanken uns fürs Lesen, in den vergangenen Jahren und heute. Für Zuspruch und Kritik, und bei allen, die uns einen Einblick in ihr Schaffen gegeben haben, für ihre Offenheit. Mein Dank geht an Swantje, Eva, Susanne, Werner, Eduard, Tin und Søren fürs Engagement, Mitwirken und die Bereitschaft, auch abends und am Wochenende Zeit in den Kulturblog zu investieren. Das Resultat kann sich sehen lassen – es zeigt, was Kultur alles auslösen kann und wie sehr sie das Leben von uns allen bereichert.
Franziska Hidber
Autor
Kulturblogger Glarus
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