Suisse de l'est, Glaris
De Anderscht vo Anderschtwo - spielt auch ein Glarus
Das Theater Dampf gastierte Mitte Januar auf Einladung der Kulturgesellschaft Glarus im Fridolinsheim Glarus mit einem höchst aktuellen Stück: Was löst die Begegnung mit einem Fremden aus? Das Publikum – von jung bis alt – ging mit und liess sich berühren.
Es sind Phrasen, die in der latent angespannten gesellschaftlichen Stimmung geradezu in der Luft hängen – nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Europa, weltweit: „Was will der hier? Der kann ja noch nicht einmal unsere Sprache!“ – „Hau ab, mach d’Flüge!“ – „Wir brauchen nichts und wir geben auch nichts!“. So kanns tönen, wenn da plötzlich ein „Anderscht vo Anderschtwo“ an der eigenen Türe steht. Verloren, vertrieben, geflüchtet vor Krieg und Bomben. Aber davon wissen sie zunächst nichts, die Protagonisten (Barbara Stehli, Martin Kaufmann, Marc Locatelli) im witzigen wie tiefgründigen Stück von Ueli Bichsel (Autor/Regie).
Die zwei Freunde Chümel und Ladislaus sind einigen im Publikum schon vom letztjährigen Gastspiels des „Theaters Dampf“ im Fridolinsheim Glarus bekannt. Die zwei gegensätzlichen Charaktere – er hyperkorrekt, sie eine unkonventionelle Lebenskünstlerin – haben sich in ihren Wohnkisten ein bescheidenes kleines Glück erschaffen. An diesem Tag, als sie gerade ihre zehnjährige Freundschaft feiern wollen, geht einiges schief. Doch die Geschichte nimmt eine unerwartete Wendung. Nachdem sie den Fremden erst zwiespältig willkommen geheissen, dann verjagt und es wiederum bereut haben, kommt es zu einer nochmaligen Begegnung und zur Chance für einen Neubeginn: Achmed, der „Anderscht vo Anderschtwo“, erzählt seine tragische Lebens- und Fluchtgeschichte mit Zeichnungen, die betroffen machen. Können Kinder ab fünf Jahren da mitgehen? Sollte man sie lieber verschonen mit diesen bitteren Tatsachen? Oder wäre es vielmehr fahrlässig, ihnen eine (vermeintlich) heile Welt „vorzuspielen“? Zumal sich auf Dauer kaum verschweigen lässt, wo es überall brennt in der Welt? Dies ist sicher eine Gratwanderung. Und doch, oder gerade darum braucht es genau solche Kulturveranstaltungen, wo aktuelle und kontroverse Themen ohne Scheu, mit Herz und Tiefsinn angepackt werden. Im Publikum waren Menschen ganz verschiedener Alter, wohl auch Grosseltern mit Enkeln. Menschen, die das Leid eines Krieges selber noch oder aus direkten Berichten ihrer Familien kennen – ausgebombte Häuser, getötete Angehörige, Hunger und Not. Doch wo man einander zuhört, da kann Verständnis wachsen – der erste Schritt zum Frieden. Und so geht es auch in diesem Stück: Achmed erhält ein provisorisches Dach über dem Kopf und ein Kuscheltier, er schenkt dafür seinen neuen Nachbarn eine Blume und eine feste Umarmung. Damit ist mal ein Anfang gemacht.
Welche Anfänge könnten wir hier im Kanton Glarus machen? Es gibt schon einige tolle Projekte, wo man sich für Geflüchtete engagieren kann. Vom TräffpunktFRAMI bis hin zu unseren Religionsgemeinschaften über private, nachbarschaftliche Hilfen. Und irgendwann, wenn aus (ausländischen) Zugezogenen MitbürgerInnen geworden sind, die sich verantwortlich für unsere Gesellschaft einsetzen, wäre - falls die Einbürgerung noch nicht Realität ist - auch ein kommunales politisches Mitbestimmungsrecht zu bedenken. Hier setze ich aber mal einen Schlusspunkt, denn da ginge es schon in Bereiche, die den Kulturblog überschreiten. Kultur ist aber eben nunmal nicht ganz unpolitisch. Weil Kunst halt über und zu Menschen spricht.
Swantje Kammerecker
Autor
Kulturblogger Glarus
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