Glaris
Ein Geburtstagsgespräch mit dem Glarner Künstler MARCK
Der Glarner Videoskulptur-Künstler ist 60 geworden. Im Gespräch mit Eduard Hauser schaut er auf seine Herkunft, die Gegenwart und seine Zukunft als zeitgenössischer Künstler. MARCK ist kann als international beachteter Künstler von seiner Arbeit leben, obwohl "der Kunstmarkt mich immer noch nicht mag". Im Gespräch erzählt er, worum es ihm bei seinem Schaffen geht, welche Rolle die Frauen spielen und wie er es geschafft hat, sich mit seiner Kunst den Lebensunterhalt zu verdienen.
MARCK, kürzlich hast du deinen 60. Geburtstag gefeiert. Welche Gedanken treiben dich um, wenn du an dein Alter denkst?
MARCK: Wie lange kann ich noch auf einem Gerüst am Haus arbeiten? Das Handwerk ist für mich eine willkommene Abwechslung, ohne den Anspruch kreativ zu sein. Die Zeit ist reif, etwas weniger zu machen, mehr zu ruhen, mehr zu geniessen oder herumzuhängen. Das Allein-Sein ist speziell, ich frage mich schon, wie wäre es füreinander da zu sein und füreinander Zeit zu haben. Ich möchte nicht im Mittelpunkt stehen. Ich suche die Reflektion. Eine Partnerin, die mir immer auf die Knöpfe aus der Vergangenheit drückt, würde ich nicht ertragen. Ich habe hohe Ansprüche auf persönliche Freiheit, also selbständig über Wahlmöglichkeiten zu entscheiden. Langeweile ist aber kein Thema. Die Arbeit erfüllt mich voll, doch wie lange geht dieser Rhythmus noch weiter?
Was ist „gute Kunst“?
MARCK: In erster Linie löst gute Kunst Emotionen aus, positive oder negative spielen dabei keine Rolle. Andere Aspekte sind der vermittelte Sinn oder Inhalt, die Ästhetik und die Gebrauchsfertigkeit einer Arbeit.
Wie bist du zur Kunst gekommen?
MARCK: Ich wollte Kameramann werden und interessierte mich stark für Schmalfilme und die Technologien aller Geräte, beispielsweise für die Videotechnik. Mit grossem Engagement habe ich alles über die Technologien gelernt und mir auf Baustellen handwerkliche Kompetenzen angeeignet. Mit den Grundlagenkenntnissen und dem Interesse für Kunst konnte ich mich „breit aufstellen“ und die Zusammenhänge der Techniken direkt anwenden. Neues hinzuzulernen ist mir so leichtgefallen, weil ich immer an erworbenes Wissen und Können anknüpfen konnte. Das gilt bis in die Gegenwart.
Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein ist ein Aspekt auf dem Weg zur Kunst. Glück gehört auch dazu. Ich habe am Anfang Kunst nur für mich selbst gemacht und war in der „Clubwelt“ sehr aktiv. Das „Du-Heft“ hat mich interessiert und inspiriert. Der Zufall wollte es dann, dass ich ein Angebot für eine Ausstellung erhalten habe. Die Auseinandersetzung mit Schmalfilmen, die Musik oder die Videotechnik habe ich verinnerlicht. Der familiäre Hintergrund hat keine Rolle gespielt. Ich komme aus einfachen Verhältnissen mit einem Vater, der sich für Kunst nie interessiert hat. Der Besuch einer Kunsthochschule, wie dies heute zur „Normalität“ gehört, war keine Möglichkeit. Ich bin ein „Quereinsteiger“, also „Autodidakt“ ist die richtige Bezeichnung. Meine internationale Ausstellungstätigkeit in Galerien und Art-Fairs haben mich finanziell unabhängig gemacht. Ich kann, wie ein sehr kleiner Teil der Kunstschaffenden, heute von der Kunst leben. Im „Kunstkuchen“ der geförderten oder etablierten Kunstschaffenden bin ich nicht vorhanden und der „Kunstmarkt“ mag mich immer noch nicht. Ich habe die Kunst nicht gesucht. Die Kunst hat mich gefunden.
Das Bild der Frau ist ein wesentlicher Bestandteil deiner Kunst. Welchen Stellenwert haben Frauen in der künstlerischen Auseinandersetzung?
MARCK: Frauen sind für mich das Sinnbild für Verletzlichkeit. Das ist das Hauptmotiv, dass ich mit Frauen arbeite. Frauen sind immer noch nicht gleichberechtigt und kommen in unserer Gesellschaft „unter die Räder“. Nackte Frauen sind für mich Symbol der Verletzlichkeit. Ich zeige nur dann nackte Frauen, wenn es Sinn macht. Sexismus ist für mich kein Thema, auch wenn in meiner Arbeit immer wieder darauf verwiesen wird.
Welches sind die Botschaften deiner Kunst?
MARCK: Ich sehe mich nicht als „Botschafter“ und will auch keine Geschichten erzählen. Zentral ist, dass das Betrachten meiner Arbeiten Gefühle auslöst. Doch das passiert bei jeder Person wieder auf eine andere Art. Die Wahrnehmung ist subjektiv und zugleich projektiv.
Worauf bist du besonders stolz?
MARCK: „Stolz“ ist nicht das richtige Wort. Ich bin dankbar, wenn ich auf meine künstlerische Laufbahn schaue, die seit 18 Jahren andauert. Wie schon erwähnt habe ich auch Glück gehabt, die richtigen Leute zur richtigen Zeit anzutreffen. Dankbar bin ich, dass alles, was ich mache, selbstfinanziert ist. Wenn ich meine Einkommen der letzten 18 Jahre zusammenzähle, komme ich auf ein Monatseinkommen von netto 6 000 Franken. Der Aufwand zur Erstellung meiner Arbeiten und die internationalen Transporte sind enorm hoch. Die Sammler meiner Arbeiten haben über die Jahre mehrere Millionen investiert.
Ich bin nicht Empfänger einer Erbschaft oder profitiere von Zuschüssen in einer „geschützten Werkstatt“. Mein Vater war ein einfacher „Büezer“ und hat darunter stark gelitten. Vor allem bei einem verwandten Gerichtspräsidenten, der ihn von „oben herab“ behandelt hat. Das hat Spuren der Verletzung hinterlassen. Bei mir ist das auch angekommen. Deshalb stelle ich immer den Menschen ins Zentrum. Die sozialen Rollen, das gesellschaftliche Ansehen und die damit verbundenen Privilegien spielen für mich keine Rolle. Ich bin frei von Abhängigkeiten und das erfüllt mich mit Dankbarkeit.
Woran arbeitest du aktuell?
MARCK: Ich zeige in der Galerie Bamberg: AOA87 in Stuttgart aktuell neue Arbeiten. Interessant ist, dass Arbeiten, die mit Wasser in Verbindung gebracht werden können, immer gefragt sind. Das hat wahrscheinlich kulturelle Gründe und schafft Verbindungen zu unserer Herkunft. Mit „Wasser“ verbinde ich auch das Thema „Gleichheit“, welches in unserer Gesellschaft zentral ist. Vor allem im Kunstmarkt spiegeln sich die Ungleichheiten der finanziellen Möglichkeiten wider. Es ist bekannt, dass bei den Vermögen nur ein ganz kleiner Anteil die wesentlichen Anteile der Vermögen besitzen.
Der Galerist in Stuttgart setzt keinen Druck auf und ich habe grosse Freiheitsgrade zu machen, was ich will. Ich möchte die Breite meines Werks pflegen, ohne Rücksicht auf den Verkaufserfolg.
Die Kunstkritikerin Anna Nerobova schreibt im Kunstkatalog – Quelle: MARCK, exiThibition, Videokunst, ISBN: 978-3-948161-18-7: „MARCK möchte in seinen Videoarbeiten keine Geschichten erzählen. Ihm geht es um die reine Veranschaulichung einer Situation, in der die dargestellten Personen reagieren „müssen“. Ihnen werden im Video Grenzen gesetzt, wie auch im realen Leben. Nicht verwunderlich also, dass es sich dabei in den meisten Fällen um Frauen handelt – obwohl 50 Prozent der Bevölkerung ausmachend, bilden sie bis heute in vielerlei Hinsicht immer noch eine „Randgruppe der Gesellschaft“, denn die von langer Männerdominanz geprägte Gesellschaft, die Religion die Politik oder auch der eigene männliche Partner setzen ihnen heute noch Regeln und Grenzen auf, bzw. sind sie es selbst, die unsichtbare Grenzen einhalten“.
Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
MARCK: Im Oktober 2024 zeige ich in Berlin in einer Ausstellung bei der Galerie AOA 87 einen Spielsalon, bei welchem sich die Leute selbst aktiv beteiligen können. Beispiel: Um Arbeiten ansehen zu können, muss ein Euro einbezahlt werden. Im Dezember bin ich wieder an der Art Miami vertreten. Ein Sammler und Klinikinhaber hat mir den Auftrag gegeben eine Videoinstallation zu entwickeln, die sich um das Thema „Bestrahlungskanone“ dreht, verbunden mit Ängsten der Kranken. Das Video holt die Menschen ab und beruhigt sie, bevor sie sich bestrahlen lassen müssen.
Bitte beende die folgenden Sätze:
- Kunstschaffen macht mich zufrieden, weil ... die Arbeit mir gefällt und mich glücklich macht.
- Die grössten Herausforderungen im Kunstmarkt sind ... immer wieder Neues zu kreieren und zu gestalten.
- Meine Arbeiten haben einen Markt gefunden, weil ... die Arbeiten speziell sind und unerwartete Reaktionen auslösen können.
Vielen Dank für das Gespräch
Eduard Hauser
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