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Nils, Anton, Nadine… Lena, Amélie, Larissa!
Sie heissen Knie, Nock und Stey – aber auch Monti und Fliegenpilz. Etwas mehr als 50 Schweizer Zirkusunternehmen sind im Zirkusverzeichnis aufgelistet. Jedes davon ist besonders. Eines darunter ist ganz besonders: der Zirkus Mugg aus dem Glarnerland.
Rund die Hälfte der aufgelisteten Unternehmen reist laut Zirkusverzeichnis nicht mehr. Der Glarner Zirkus Mugg aus Betschwanden reist hingegen erfolgreich, wenn auch nicht klassisch. Da gibt es nämlich das Tourneecamp. Zur Ausgabe 2024 blickte ich im Vorfeld und während der Premiere in Lachen hinter die Kulissen.
von Werner Kälin, Kulturblogger
Im Tourneecamp heissen sie Nils, Anton, Amélie oder Larissa.
Die jungen Teilnehmer:innen studierten das Programm selbst ein und gingen damit auf Tournee – zwar ohne Zelt, dafür mit Wohnwagen, Bühne und einem kräftigen Schuss Zusammengehörigkeit. Nach Lachen fanden auch Aufführungen in Weesen und Glarus statt.
Erst wagte ich mich nicht in den Backstage-Bereich. Ich wollte nicht den Eindruck des Eindringlings erwecken. Schliesslich löste Ischa mein Zögern auf, als ich mich vorstellte. Damit auch die Jugendlichen den richtigen Eindruck von mir erhielten, informierte der Tourneecamp-Leiter alle via WhatsApp-Gruppe über meine Anwesenheit und meine Absicht, diesen Beitrag zu schreiben.
Auf der Tournee 2024 waren 32 Teilnehmer:innen dabei.
Teilnehmen dürfen am alljährlichen Tourneecamp Jugendliche ab zwölf Jahren, die zwei- oder mehrmals an einem Zirkuscamp in Betschwanden waren. Diese Camps leiten zum Teil frühere Teilnehmer:innen. Auch bei den Zirkuscamps sind jeweils Shows die Krönung. Sie finden aber, im Unterschied zum Tourneecamp, im Zirkusdorf in Betschwanden statt.
Die Auswahl für das Tourneecamp erfolge äusserst sorgfältig, sagte Ischa. Man müsse sich bewerben, es brauche eine gute soziale Durchmischung und erfordere von allen – nebst Kraft und Beweglichkeit – Durchhaltewille sowie hohe Konzentrations- und Teamfähigkeit.
Natürlich koste die Teilnahme was, erzählte mir Ischa weiter. Damit das Projekt finanzierbar sei, werde es von Stiftungen mitgetragen.
Zwei Wochen lang lebten sie auf engem Raum und arbeiteten an ihrem eigenen Zirkusprogramm.
Dass das zusammenschweisst, fiel mir in Lachen sofort auf. Sie kämmten und schminkten einander, sie waren gemeinsam aufgeregt und beruhigten sich gegenseitig. Das Küchenteam sorgte pünktlich für leckeres Essen und kümmerte sich ausnahmsweise ohne Hilfe der Jugendlichen um den Abwasch.
Apropos Küche: Zum Team gehören der Vater eines früheren Camp-Kindes, eine ehemalige Tourneecamp-Teilnehmerin und ein Mitglied der Familie Mugg, das gerne im Hintergrund arbeitet. Zum Essen gab’s Cinque Pi und Salat.
Nach dem Nachtessen war kurze Ruhe vor dem Sturm.
Bald ging sogar für mich alles Schlag auf Schlag weiter. Irgendwie mussten alle gleichzeititg überall sein. Beeindruckend war, dass das alles ohne Chaos über die Bühne ging. Die Teilnehmer:innen standen für das ankommende Publikum am Eingang, im Kiosk oder am Zuckerwattenstand bereit. Die Publikumsränge füllten sich mit Angehörigen, Freund:innen, Spontanbesucher:innen und Neugierigen.
Um 18:45 Uhr war das Warm-up angesagt. In einem amerikanischen Rugby-Film hätte mich diese Szene vermutlich kalt gelassen. In Lachen berührte mich der Moment mit dem Go-Kreis sehr: Nils, go! Anton, go! Nadine, go! Lena, go! Amélie, go! Larissa, go!
Inzwischen waren die Zuschauerränge voll. Wie oder wann es das Multitalent Ischa schaffte, zwischendurch noch auf das Bühnendach zu klettern, blieb mir ein Rätsel.
Laufend gesellten sich auch Zaungäste dazu.
Um Punkt 19 Uhr war es soweit: Die Eröffnung passte mit jeder Menge wehender Schweizer Fahnen und Alphornklängen wunderbar zum bevorstehenden Nationalfeiertag. Vor der Bühne stand das Trampolin für die ersten akrobatischen Höhepunkte bereit. Bei einem Salto auf einem solchen Trampolin verschob sich bei mir während einer Turnstunde in der Sekundarschule die Nasenscheidewand.
Im Verlauf der Aufführung kamen ein Sessellift und Fondue ins Spiel. Die Jugendlichen traten zum Beispiel mit Einrädern und als schwarze Schafe auf. Sie boten ein Spektakel nach dem anderen – wow! Den jungen Talenten machte es sichtlich Freude, Premiere zu spielen, und das Publikum liess sich mitreissen.
Am Ende war klar: Die Premiere war gelungen.
Die jungen Akrobat:innen hatten mit ihrem Programm genauso ins Schwarze getroffen, wie die Herzen des Publikums erobert. Noch während der Vorstellung erinnerte ich mich an ein Gespräch mit einem Jungen kurz vor dem Abendessen: Er war das erste Mal auf Tournee, besuchte vorher sechsmal ein Zirkuscamp und fährt gerne Traktor.
Während der Aufführung blieb nicht nur mir die Spucke weg, wie elegant und kraftvoll sich der gleiche Junge einer Stange entlang bewegte. Und mir wurde bewusst, dass ich es ein einziges Mal in meinem Leben – während der Rekrutenschule – bis oben an die Kletterstange schaffte.
Kollekte nicht vergessen.
Dieser Hinweis ging am Ende vor lauter Freude beinahe vergessen. Denn der Eintritt zu den Tourneecamp-Vorstellungen ist gratis. Wie es Kollekten so an sich haben, ist es gut möglich, dass sie auch bei einem Teil des Publikums in Lachen vergessen ging. Bestimmt aber bleibt das Dargebotene in Erinnerung.
Unmittelbar nach dem Ende der Show waren die Jugendlichen bereits wieder auf neuen Schauplätzen bereit und konzentrierten sich auf ihre anderen Aufgaben: Getränkebestellungen entgegennehmen und Zuckerwatte aufdrehen waren die sichtbarsten dieser Aufgaben. Andere waren wohl im Hintergrund im Einsatz. Als Beobachter kriegte ich es nicht mit – dafür lief alles zu abgestimmt, zu konzentriert, zu schnell und schlichtweg zu perfekt ab.
Später mischten sich auch die Teilnehmer:innen unter die Gäste.
Schliesslich waren ihre Famililen und ihre Freund:inne da. Sie durften zurecht stolz darauf sein, was ihnen an diesem lauschigen Sommerabend am Obersee gelungen war: Begeisterung und Freude bei sich selbst und vielen anderen auszulösen.
Noch im August waren nebst den Aufführungen in Lachen, Weesen und Glarus auch die Sommer-Zirkuscamps im Gange und bereits heute sind alle Camps im nächsten Jahr ausgebucht. Über Freud und Leid der erfreulichen Nachfrage schreibt der Zirkus Mugg in seinem eigenen Blog.
Die Aufführungen der Tournee- und Zirkuscamps machen den Zirkus Mugg für ein breites Publikum erlebbar.
Denn viele der hochwertigen Mugg-Angebote wenden sich an Schulen und Institutionen, Gruppen und Vereine, Firmen und Veranstalter.
Ebenfalls für das breite Publikum stehen jedes Jahr das Saisonstartfest im Frühling oder das Varieté im Winter auf dem Programm. Soeben ausprobiert hat die Familie Mugg das neue Zirkusdinner im Sommer.
Wer spontan Mugg-Luft schnuppern will, ist täglich von 8 bis 21 Uhr im Zirkusbeizli willkommen. Getränke und Snacks stehen zur Selbstbedienung in einem Zirkuswagen bereit. Als «Gartenwirtschaft» lädt bei trockenem Wetter ein gemütlich drehendes Karussell ein.
Etwas mehr Einsatz ist am Abbauwochenende gefragt.
Am Wochenende vom 19. und 20. Oktober 2024 ist das Zirkusdorf wieder für den Winterbetrieb vorzubereiten. Wer hilft, wird verpflegt, um bei Kräften zu bleiben – vielleicht gibt es wieder leckere Penne Cinque Pi. Am Samstag ist es möglich, im Zirkusdorf zu übernachten und gemeinsam mit den Helfer:innen einen gemütlichen Abend zu verbringen: zur Anmeldung.
PS: Zwecks Ankündigung dieses Beitrags ist ein Reel (ein Video) enstanden. Es lässt sich auf meinem Instagram-Kanal sehen. Auch der Zirkus Mugg ist auf Instagram präsent.
Autor
Kulturblogger Glarus
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